Wenn ich mit meiner besten Freundin und jagdlicher Copilotin Sandra unterwegs bin, kann ich mehrere meiner Leidenschaften gleichzeitig ausüben: 1. meiner Vorliebe für sportliche Höchstleistungen im olympischen Sitzen und Warten, 2. dem Freiluft-Powerpennen und 3. der Jägerei. Es hat sich quasi zur Perfektion eingespielt, dass Sandra die Umgebung mittels Fernglas abscannt, ich sitzend und wartender Weise mit dem Kopf vornüber auf dem Sandsack aufgelegt schlafe und bei passender Wildart und Gelegenheit einen Seitenhieb mittels Ellenbogen erfahre, um dann anzusprechen und nach der Möglichkeit zu schießen schaue. So hat es schon mit dem einen oder anderen Stück Wild ganz hervorragend geklappt. Sandra hatte sich in der ersten Woche im Mai Urlaub genommen und so frönten wir unserer Team-Arbeit auch an diesem lauen Sonntagabend.

Nach etwa einer Stunde des olympischen Sitzens und Wartens waren wir beide hochgradig genervt. Ein sehr kleiner Vogel, kreiste ständig in bester Kampffliegermanier quer durch die offene Kanzel. An schlafen war nicht zu denken! Lästiger Kerl, dem wir mittlerweile nur noch negative Wünsche und Pläne an den Hals wünschten. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so wütend wegen eines Vogels sein könnte.

Gegen 20.00 Uhr trat ein Bock aus der Dickung und zog auf die etwa 70 m entfernte Kirrung. Ein Seitenhieb von Sandra war nicht nötig, ich war ja eh schon wach. So hatten wir alle Zeit der Welt, das Stück als schwachen, etwa zweijährigen Bock anzusprechen. Das lief ja heute, ich richtete mich ein aber irgendwie war die Position nicht so zufriedenstellend. Ach, es würde schon klappen. Als ich abdrückte, merkte ich bereits, dass ich nicht vernünftig abgekommen war und sehe, wie das Stück mit drei Sätzen im Wald verschwindet. Verdammte Axt, was hatte mich da nur wieder geritten? Was war passiert? Krankgeschossen? Gefehlt? Alles Mist! Nach einer Zigarettenlänge hielt mich nichts mehr auf dem Sitz und ich lief den Weg entlang zum Anschuss. Dort fand ich nichts – weder Schweiß, noch Schnitthaar oder Knochensplitter. Bei genauerer Untersuchung fand ich etwas, das wie ein Kugelriss aussah. Aber sicher ist sicher und so holte ich meinen kurzbeinig kuhhessigen Freund aus dem Kofferraum. Auch er untersuchte den Anschuss, zeigte sich interessiert an der Fährte aber blickte sich immer wieder fragend um, als wolle er sagen „hier war das Reh, aber es hat nichts, wir können nach Hause“. Ich ärgere mich maßlos über mich selbst. Es muss einfach klar sein, dass jeder Schuss nicht leichtfertig abgegeben werden darf, sondern sicher durchgeführt werden MUSS, auch wenn man ein Stück schon sicher in der Gefriertruhe zu haben scheint. Das wird mir eine Lehre sein!


Laden...