Beinahe zwei Stunden später...

Die untergehende Sonne scheint schon sehr träge von rechts über die Wiese und lässt uns wissen, dass sie nicht mehr vorhat, uns ewig Zeit zu geben. Durch das Wärmebild-Handgerät sieht der Jagdherr, dass langsam wieder Bewegung in das Rudel kommt. Und tatsächlich! Das Alt- und das Schmaltier strecken als erste wieder das Haupt aus dem Wald und arbeiten sich langsam auf die Wiese vor.

Ihnen folgen weitere Alttiere. Im Nachbarrevier rechts entdecke ich auf 300 m einen Spießer, der passend wäre. Er zieht langsam in die Richtung der Stücke, die bereits äsend auf der Wiese stehen. Noch sind alle zu weit weg von uns auf bestimmt 150 m, kurz vor der Reviergrenze und dem Graben, der diese markiert.

Minütlich treten mehr Tiere aus dem Wald und als die ersten Kälber nachkommen, zeigt sich erst wie groß das Rudel wirklich ist. Wir zählen 16 Stücke, davon 5 Spießer und 3 Schmaltiere. 3 der Spießer würden die Abschusskriterien erfüllen und wären freigegeben.

Meine Helix ist durchgeladen, gesichert und bereits im rechten Fenster platziert. So wie sie sich bewegen, bleiben die Spießer immer etwas hinter dem Rudel zurück, was ideal ist. Sie müssen nur noch in unsere Richtung kommen.

Tun sie aber nicht. Ein Alttier hat eine Mission und zieht alle mit: Es geht in den Graben der Reviergrenze und wandert diesen langsam herunter. Das gesamte Rudel verschwindet dort und zieht rechts an der Bullenwiese entlang. Bäume versperren uns die Sicht und das Rudel ist nun fast rechts schräg hinter uns angekommen. Wenn sie dort weiterziehen würden, würden sie den Graben schließlich hinter uns verlassen und dort in das nächste Waldstück ziehen. Kein Herankommen mit dem Wind, der von vorne bläst.

Der von… Moment. Wir prüfen noch einmal den Wind, der mittlerweile leicht gedreht hat. Statt frontal von Süden bläst er nun von leicht links (Süd-Ost). Das heißt: Genau so, dass das Damwild Wind von uns bekommt, wenn sie weiter durch den Graben ziehen und schräg hinter uns bleiben.

Wir haben eine Idee. So leise wie möglich öffnen wir das Fenster nach hinten, sodass Durchzug durch die Kanzel herrscht. Das vordere und das rechte Fenster fangen den Süd-Ostwind ein und tragen unseren Geruch nach hinten raus - genau auf das Damwild zu. Der Plan ist riskant, sie könnten sich erschrecken und direkt in den Wald hinter uns flüchten.

Tun sie aber nicht.


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