Die Herausforderung würde sein, unbemerkt an den Sitz zu kommen.

Denn mit dem Standort blieben nur zwei mögliche Sitze mitten auf der Bullenweide. Und diese war in Nutzung. Mindestens 20 neugierige Jungkühe und ein junger Bulle hatten uns bereits die ganze Woche beobachtet und waren in Fullspeed zum Zaun gerannt, sobald wir uns auch nur angenähert hatten.

Die Sitze auf der Weide hatten wir deswegen bisher mit gutem Grund gemieden - eine Stampede aus übermütigen Kühen war nicht unbedingt die Vorstellung, die wir von einem entspannten Weg zum Ansitz hatten.

Uns blieb keine andere Wahl. Der Plan: Wir pirschen gemeinsam zum ersten Sitz, ich werde abgesetzt und der Jagdherr und mein Mann würden zum zweiten Sitz weiterpirschen. Nun mussten wir also unbemerkt an den Kühen UND dem Damwild vorbei. Mir stand der Schweiß auf der Stirn, nicht nur wegen der Sommerhitze. Millimeterweise ging es voran, möglichst über moosige Stellen auf der Wiese, im Schatten der Bäume, um keine Geräusche zu machen. Anhalten. Ein Schritt. Anhalten. Gucken. Äsen die Kühe noch? Äst das Damwild noch?

Auf halber Strecke zum ersten Sitz bemerkten uns die Kühe.

Erste Stücke äugten immer wieder in unsere Richtung und versuchten einzuschätzen, ob sie wirklich eine Bewegung wahrgenommen hatten. Eine neugierige Kuh machte einige Schritte in unsere Richtung. Mit zittrigen Knien retteten wir uns langsam zur Leiter. Genau rechtzeitig, denn an ihrem Fuße angekommen gingen die ersten Rinder in einen Galopp in unsere Richtung über.

Aufteilen und weiter zur zweiten Kanzel? Keine Chance!

Wir erklommen die Treppe schnellstmöglich zu dritt und dennoch so leise wie es nur ging. Oben in der Kanzel war es eng. Die Kühe schubberten sich an den Holmen, sodass alles wackelte, Staub stieg mir in die Nase. Nur einer würde heute Abend jagen können und die beiden Männer waren sich direkt einig, dass dies mein Abend werden würde.

Mir pochte das Herz bis in den Hals, als ich langsam die Helix ablegte und mich einrichtete. Das Damwild hatte uns nicht bemerkt, war aber auf dem langsamen Rückweg in den Wald. Wir konnten nur noch identifizieren, dass es sich um ein Rudel von mehreren Alttieren, zwei Schmaltieren, drei Kälbern und einem passenden Spießer handelte, ehe sie im Wald verschwanden.

Es wurde still auf der Lichtung. Und obwohl ein Alttier und ein Schmaltier immer mal wieder kurz ihr Haupt am Waldrand erahnen ließen, kommt kein Damwild mehr heraus. Lange. Sehr lange sitzen wir und warten.


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