Der nächste Morgen sollte ähnlich verlaufen, aber der gestrige Gewaltmarsch saß uns doch etwas in den Knochen. So entschloss sich Herr Toni zu einem Morgenansitz an anderer Stelle. Leise pirschten wir den Hochsitz an und erklommen die Sitzfläche in luftiger Höhe. Das mit dem Einschlafen lief ähnlich wie am Tag zuvor, kaum gesagt schon geschnarcht. Nach etwa 2 Std. wagte ich einen Weckversuch um mitzuteilen, dass sich hier überhaupt nichts tat. So baumten wir ab und frühstückten ausgiebig. Den weiteren Tag verbrachten wir mit Salz ausbringen und der Reparatur der Ansitzeinrichtungen. Abends dann ein weiterer Ansitz. Auch dieser ohne Erfolg. Leider.

Am nächsten Morgen konnte aufgrund des besonders schlechten Wetters nicht angesessen werden, wir räumten die Hütte auf und dann hieß es auch schon Abschied nehmen. Mein Lieblings-Beständer lies mich wissen, dass ich mich nicht in Sicherheit wiegen solle, denn „i gieb‘ erst a Ruh‘, wennst dei Gams hast“. Ok, neuer Versuch, neues Glück!

Das letzte Wochenende im September passte wieder. Der Plan „kommen, sehen, siegen“ sollte dieses Mal nun wirklich in die Tat umgesetzt werden. Mein Toni war bereits die ganze Woche im Revier und hatte Gams zu Hauf bestätigen können. Er machte mir Mut und aufgrund meiner noch nicht ganz kurierten Erkältung wollten wir das Feld von hinten aufrollen. Erst die Sitze unten und wenn das zu keinem Erfolg führen sollte, den höheren Sitz probieren. Der Wind war nicht auf unserer Seite, wir mussten einen großen Umweg gehen um den Sitz zu umschlagen und dann im Schatten eines Hügels über die Kante spekulieren. Toni kroch vorsichtig an den Rand und versuchte so unbemerkt wie möglich in Richtung gegenüberliegenden Hang zu glasen. Sein breites Grinsen verriet ihn. Er rutschte zurück und macht mir klar, ich möge zu ihm rüberkommen. Im Hang hatte er 8 Gams jeglicher Altersklasse ausgemacht und auch ein passendes Kitz war dabei. Mein Puls stieg. Im Parallelflug pirschten wir voran. Das Kitz wurde von der Gais abgeschirmt, dann stand es nicht frei, dann wieder hinter Latschen, wir rutschen bäuchlings an der Hangkante hin und her. Das Schussfeld wurde von herabhängenden Zweigen verdeckt, meine Hose ist trotz Herstellerversprechen nicht wasserdicht musste ich bemerken, ebenso das Oberteil… Schon wieder Wet-T-Shirt… egal. Toni zischte, wenn das Kitz noch zwei Schritt macht, soll ich schießen. Ich konzentriere mich und jeder Muskel war gespannt wie ein Flitzebogen. Ein Schritt, noch ein Schritt, ich atmete ein, der rote Punkt im Absehen war auf dem Blatt des Gamskitzes, Finger am Abzug, dann ein schriller Pfiff und binnen eines Wimperschlages waren alle Stücke wie vom Erdboden verschluckt. Gab es das? Wo waren sie hin? Toni sprang auf: „Komm‘, die sind hier noch!“ Ich versuchte meinen durchnässten Körper in eine aufrechte Position zu bringen und dem Wirbelwind zu folgen. Wir waren zu spät. Sie waren weg. „Warum hast du nicht geschossen,“ durchbricht er die Stille, „warum hast du nicht geschossen?“


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