Prüfungen sind ein Kapitel für sich
Hunde

Prüfungen sind ein Kapitel für sich

Text Alena Steinbach
Foto Ulrike Gürtler

Wer einen Jagdschein besitzt, der wünscht sich oft auch einen vierbeinigen Weggefährten an seine Seite. Viele von uns besitzen schon einen, zwei, oder wie in unserem Fall, auch mal vier. Denn wer einmal Blut geleckt hat, der kommt schwer von diesen zuckersüßen, nervenaufreibenden und immer zur Seite stehenden Fellnasen weg. Egal ob groß oder klein, kurzhaarig oder gelockt, bunt oder einfarbig. Jede Rasse bringt ihren Charakter und ihre ganz besonderen Fähigkeiten mit zu uns nach Hause.

Wer mich kennt, und bitte liebe Prüfer, Prüfungsgeher und Vereinsengagierte, nehmt es mir nicht übel, der weiß, dass ich kein Prüfungsmensch bin. Weder Diktate, das Abitur oder mündliche Befragungen haben es mir im Laufe meines jungen Lebens angetan. Ich muss zugeben, dass ich drei Kreuze mache, wenn ich die vielen jungen Menschen morgens in die Universität strömen sehe und erleichtert feststelle, selbst nicht mehr dazu zu gehören. Nun dachte ich ja, dieses pulserhöhende Kapitel endlich hinter mir gelassen zu haben, als nach und nach Hunde bei uns einzogen, darunter unsere Professorin Emma-Otto, eine Westfälische Dachsbracke. Sie lesen richtig, sie hört sowohl auf Emma, als auch auf Otto. Die Geschichte dahinter erzähle ich mal an anderer Stelle. Wie viele von Ihnen wohl gerade überlegen, wie diese Brackenart noch einmal aussieht? Kein Grund zur Sorge, mit knapp 30 Welpen im letzten Jahr ist es leider keine allzu stark vertretene Rasse bei uns. Völlig zu unrecht, wie wir feststellen mussten. Nun soll dies aber kein Rassenporträt werden, welches ich durchaus noch einmal schreiben werde, das bin ich schon alleine Emma-Otto schuldig.

Zurück also zu diesen Prüfungsangelegenheiten. Da wir beschlossen haben, mit unserer Professorin zu züchten, mussten wir die eine oder andere Prüfung ablegen, zumal alle unsere Kämpfer auch eine „Green Card“, sprich Brauchbarkeitsprüfung benötigen, um in Brandenburg jagen zu dürfen. Ich kam also nicht darum herum.

Foto: Alena Steinbach

Viel schlimmer als das Vorbereiten und die Aufregung an „dem“ Tag, finde ich allerdings die Leute, die sich völlig im Prüfungswesen verlieren. Wenn ich mir einen Jagdhund ins Haus hole, dann soll er jagen, so oft er kann und mag und so lange, wie sein Geist und seine Knochen es mitmachen. Er soll Schwarze und Rote aufstöbern, Langohren und Gefiederte apportieren und Krankes oder Verletztes finden. Das sind meine Anforderungen an einen Jagdhund. Natürlich kann dabei nicht ein Hund alles perfekt, deswegen haben wir ja auch verschiedene Rassen. Ein Freund mit einem Schweißhund, den man bei Bedarf anrufen kann, tut es sicher auch. Was mein Hund also nicht machen muss, ist das Besuchen jeder möglichen Prüfung, um am Ende ein Tagebuch mit Auszeichnungen füllen zu können, dabei aber das praktische Jagen nicht zu beherrschen. Sicherlich gibt es auch Hunde und dazugehörige Führer, die beides können und schaffen - Hut ab! Ich hätte da aber weder Zeit noch Lust zu. Auch sehe ich die Wichtigkeit einiger Prüfungen, gerade bei Hunden, die in die Zucht sollen. Da sollte zumindest die Brauchbarkeits- und Anlagenprüfung erfolgt und gut abgeschlossen worden sein. Aber wie prüft man heutzutage, ob ein Hund brauchbar ist?

Für Emma-Otto stand vor ein paar Wochen die Anlagenprüfung auf dem Sonntagsprogramm. Wir hatten genug Hasen geübt und eine Woche zuvor die Brauchbarkeit bestanden, daher war ich an diesem Tag schon etwas ruhiger. Die Schussfestigkeit war bei keinem der Hunde ein Problem und somit schnell abgehakt. Anschließend teilten wir uns in zwei Gruppen auf, da zwei der vier Aspiranten läufige Hündinnen waren, unter anderem meine. Wenn Sie es bisher noch nicht erlebt haben: Man bildet eine Kette und läuft über Felder und Wiesen, durch Gehölz und Wäldchen auf der Suche nach den gefühlt letzten Hasen der Nation. Ist ein Hase lokalisiert oder abgegangen, wird ein Hund, der den Hasen im besten Fall nicht gesehen hat, an der Sasse angesetzt und muss nun laut und sicher der Fährte folgen. Jeder Hund sollte wenn möglich zwei Hasen arbeiten. Nun könnte man sich fragen und ich tue das so wie alle anderen Prüflinge, warum ausgerechnet ein Hase? Warum sucht man Stunden um Stunden nach den letzten Hasen des Reviers um daran den Spurwillen, den Laut und die Sicherheit seines Hundes zu testen? Wir Prüflinge waren uns alle einig: Keiner unserer Hunde wird nach dieser Prüfung jemals bewusst einen Hasen jagen, alle sollen auf Schalenwild eingesetzt werden. Auf den wenigen Treibjagden, die heutzutage noch stattfinden, werde ich nicht unsere gerne mal weitgehende Bracke laufen lassen und angesichts der Vielzahl an Straßen zusätzlich ihr Leben riskieren. Jedenfalls standen oder liefen wir aufgeregten Hundeführer durch das Feld, ein Fragezeichen des Sinns im Kopf und dennoch voller Hoffnung, ein Langohr zu erspähen.

Foto: Patrik Bolke

Das Moderne

Nun hatten wir mehrere ganz entscheidende Vorteile an diesem Tag. Obacht liebe Vereinsvorstände, hier sollten Sie aufmerksam lesen und vielleicht über eine Modernisierung in Ihren Reihen nachdenken. Wir konnten also zu den Prüfern und Hundegespannen einen Fahrer aufbieten, der nicht nur einige von uns schnell zu ihren geschnallten Hunden fahren konnte, wenn es kritisch bzw. sehr lang wurde, er war vor allem unser Späher. Mit einem Wärmebildgerät ausgestattet war er immer ein paar Hundert Meter vor uns und hat die Äcker abgeschaut. So konnten wir uns einerseits einige leere Felder sparen und andererseits viele Hasen ganz gezielt angehen. So haben wir keinen überlaufen oder verschenkt, indem wir aus Versehen zwei auf einmal hochgemacht haben. Ruckzuck hatten die Rüden ihre zwei Hasen und wir konnten tauschen. Nachmittags beim Essen waren wir uns alle sicher: Ohne Wärmebildgerät würden wir jetzt noch mit den Rüden suchen. Natürlich kann auch dieses Wundergerät nicht durch Raps oder Bäume hindurchgucken, aber Felder mit keinem oder geringem Bewuchs waren ein Kinderspiel. Zudem hatten wir noch Walkie-Talkies mitgebracht, zwar nur drei Stück, aber besser als – wie eigentlich – gar keines. Statt lautem Schreien, wo der Hase nun genau sitzt, hin ist oder was der Hund da eigentlich macht, konnten wir uns leise und schnell miteinander verständigen. Auch das metergenaue Lotsen zu einem mit dem Wärmebildgerät gesichtetem Hasen war so ein Kinderspiel. So hatten wir also schon drei echte Vorteile: Einen Fahrer, der Shuttledienste erledigen und mit Hilfe einer Wärmebildkamera nach Hasen suchen konnte, und Walkie-Talkies für eine einfache Kommunikation. Alle waren begeistert. Sicher wird es, wie immer, auch hier mürrische Traditionsverfechter geben, die das alles für Schnick-Schnack halten und sich auf die „guten, alten Zeiten“ berufen oder noch besser, den Satz vor sich hinmurmeln, den wir alle kennen und lieben: „Ging früher auch ohne...“ Natürlich ging es das, da gab es aber beispielsweise auch mehr Hasen und weniger Straßen. Man könnte auch mit dem Pferd von A nach B reisen oder über Kimme und Korn jagen, es geht vieles... man fragt sich nur nach dem Sinn.

Wir setzen technisch aber noch einen drauf, denn alle Hunde hatten Ortungsgeräte, auch Emma läuft immer mit einem Tracker in signalfarbener Optik herum. Wer seinen Hund schon einmal über Stunden oder gar Tage gesucht oder auch nur die Angst davor hat, so war es bei mir, dem empfehle ich ein Ortungsgerät. Eine teure, aber durchaus sinnvolle Anschaffung für Stöberjagden, Nachsuchen, Prüfungen, deren Vorbereitungen oder ganz normalen Spaziergängen. Wir konnten an diesem Tag nicht nur die Arbeit der Hunde verfolgen, sprich, wie lang sie laut auf der Hasenfährte waren, sondern vor allem sehen, ob der Hund sich auf gefährliche Situationen, wie Straßen, zubewegt und im schlimmsten Fall rechtzeitig eingreifen. Auch die Positionierung unserer Standorte wäre bei unbekanntem Gelände möglich gewesen, so schließt man ein Verlaufen ganz sicher aus. Nachmittags konnte ich so den Prüfern Ottos genaue Wege, ihr Stöberverhalten und die Verweildauer auf der Fährte zeigen. All das wird nicht bewertet, schade eigentlich. Denn im letzten Prüfungsfach „Art der Suche“ hat die bunte Professorin einen Bock aus dem Wäldchen geholt, ist mit ihm über 800 m Freifläche und in den nächsten Wald gelaufen. Dort hat sie weitere 20 Minuten an ihm gejagt, bis wir sie eingefangen haben. Wenn das nicht Wille, Ausdauer und Sicherheit zeigt, weiß ich es auch nicht. Zumal hier das Wild gejagt wurde, welches unter anderem zu dem zählt, auf welches sie in ihrem weiteren Leben jagen wird.

Was ich mit diesem Artikel sagen möchte: es besteht Bedarf an Erneuerungen und Anpassungen in vielen Teilen des Prüfungswesen. Einer der Prüfer versuchte mich zu motivieren, selbst einmal Prüferin zu werden. Ich dankte freundlich ab, denn, wie man sicher raus hört, bin ich weder Theoretiker, auch wenn Prüfungen ganz sicher ihre Berechtigung haben und von Nöten sind, noch verstehe ich den Sinn einiger Prüfungsfächer oder die Nicht-Nutzung technischer Hilfsmittel. Es wäre ein Leichtes für Vereine ein paar Wärmebildgeräte und Walkie-Talkies zu kaufen und diese am Prüfungstag bereit zu stellen. Auch die Anerkennung von Ortungsgeräten ist meiner Meinung nach ein großartiger Leistungsnachweis. Welcher Prüfer kann denn beurteilen, ob der Hund nach dem nächsten Hügel noch am Hasen jagt oder laut ist, hier kann oft nur spekuliert werden. Letztendlich ist es sicherlich dringend an der Zeit, auch die Prüfungsfächer der heutigen Zeit und den jagdlichen Anforderungen an die Hunde anzupassen und durchaus mehr Spielraum für Einzelbewertungen zu geben. Vielleicht sollte ich gerade aufgrund meiner Änderungsvorschläge und – hoffnungen eine Richterkarriere anstreben und mich für eine praxisnahe Prüfung einsetzen - oder ich gehe doch lieber mit meinen Hunden jagen...


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