Gesagt, getan!

Am ersten Abend sahen wir beide gar nichts. Meiner Übelkeit war das natürlich nicht zuträglich und meinem extrem schlechten Gewissen auch nicht. Am zweiten Abend ging ich nochmal auf die Leiter, auf der ich zwei Tage zuvor den Bock beschossen hatte. Da ich von meinem Sitz durch eine „blöd platzierte“ Fichte nicht die ganze Schneise einsehen konnte, ging Holger auf eine Kanzel, die genau am anderen Ende der langen Schneise stand.

Es fühlte sich ein bisschen so wie die Rückkehr an den Tatort an. Während ich auf meiner Leiter saß, spulte sich vor meinem inneren Auge die ganze Situation immer wieder ab.

Dann immer wieder die gleichen tausend Fragen. Wo lag mein Fehler? Was war genau passiert? Wie groß ist wohl die Verletzung? Wie lange kann er bei den Temperaturen mit einer Verletzung überleben? Blutvergiftung, Fieber, Schwarzwild… Wie lange macht es Sinn nach dem Bock zu schauen bzw. welche Chance haben wir? Und immer wieder diese Aufsteigende Übelkeit, das schlechte Gewissen und der wirklich noch mehr als vorher sehnliche Wunsch, ihn wiederzusehen.

Schuss! Stille.

Das Geräusch ging mir durch Mark und Bein. Genauso schnell, wie ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen wurde, griff ich zum Handy und wartete auf Nachricht. Aber, wie soll es auch anders sein, ab dem Moment war für zehn Minuten das Netz weg.

Dann erreichte mich die Nachricht: „Hatte ihn vor, ist zurück in den Bestand, sehe ihn nicht.“ Super Nachricht… Sowas wirft doch ehrlich gesagt mehr Fragen auf, als sie beantwortet! Wir verständigten uns darauf, dass ich zum Auto gehe und zu Holger fahre. Auf dem Weg dorthin erreicht mich die nächste Nachricht: „Bock tot!“

Ich muss das Auto kurz anhalten, denn mein Herz klopft so sehr vor Erleichterung. Als ich endlich auf Holgers Seite der Schneise ankam, stand er beim Bock und schien ebenso erleichtert wie ich. Wir fielen uns in die Arme und wünschten uns gegenseitig Waidmannsheil.


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