Es ist ein kalter Novemberabend. Bei zunehmendem Mond sitze ich im Jagdwagen auf Sau und Kahlwild an. Der Wind weht stark von West und die Temperatur ist um den Gefrierpunkt. Ich atme die kalte klare Luft ein und aus und ziehe nach einer Stunde den Mantel enger um mich herum. Der Wind heult und der Regen geht in einen Schneeschauer über und weht mir ins Gesicht.

Tief in die Ecke einrückend, zünde ich mir die Zigarre an und denke an die Wölfe. Die im bayrisch-hessischen Grenzgebiet jagen und seit März 2023 bei mehr als 30 Übergriffen auf Nutztiere auf hessischer Seite bekannt sind. Zu Schaden kamen dabei 25 Schafe, 1 Ziege und zwölf Mal Gatterwild.

Anfang August stand ich selbst frühmorgens mit dem Weidetierhalter an einem Wolfsriss im Spessart. Das Schaf übel zugerichtet, mit zum Teil freigelegter Wirbelsäule. Die restlichen Schafe standen in Hausnähe und waren sichtlich angespannt.

In den nächsten Tagen folgten weitere Wolfsrisse im Spessart. Der Main-Kinzig-Kreistag wendet sich mit einer Resolution an Bund und Land, und die Medien berichten über die geforderte Beschränkung der Wolfspopulation und die geforderten Abschüsse von Wölfen.

Die im November erteilte Abschussgenehmigung im bayrisch – hessischen Grenzgebiet wurde kurz danach durch das Verwaltungsgericht nach Einspruch der Naturschützer außer Kraft gesetzt, mit der Begründung, dass die Beutetiere an unzureichend geschützten Weiden gerissen worden sind.

Das interessiert die Wölfe überhaupt nicht und sie lernen schnell, wie sie Herdenschutz -Maßnahmen überwinden, um an die leichte Beute zu kommen.

Ich sitze jetzt mehrere Stunden an, beobachte Rehe, die am Waldrand geborgen äsen und einen weit vorbeischnürenden Fuchs, dabei gehen mir die zugewanderten Raubtiere nicht aus dem Kopf.

Der polarisierende Wolf ist das Gesprächsthema bei vielen Menschen in der Gegend. Manche gehen nicht mehr mit dem Hund in den Wald oder lassen bei einsetzender Dunkelheit die Kinder nicht hinterm Haus spielen, während selbsternannte Balkonbiologen aus der Großstadt (Frankfurt, Wiesbaden, Offenbach) den Wolf als Kuscheltier ansehen und streicheln möchten.

Die Meinungen sind gespalten.


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