Am Nachmittag des 19.8. dieses Jahres fuhren mein Freund Max und ich in das Revier, wir wollten noch ein bisschen rumwuseln, kirren und dann in seinen 30. Geburtstag in der kleinen Jagdhütte „reinfeiern“.
Als wir gerade alles eingeladen hatten und in das Revier eintauchten, schickte uns die Kamera „Obstgarten“ ein Bild. Es war 19:27 Uhr. Die „Alte“ war da. 40 m unter einem häufig besuchten Spazierweg, im hellsten Tageslicht. Wir beschlossen sofort uns die Situation endlich mal bei Tag anzugucken. Wir parkten also unser Auto und liefen zum Obstgarten - mit Waffe und Pirschstock. Beim Losgehen sprang direkt unter uns ein Stück Rotwild ab, wir trauten der Alten allerdings nicht mehr so ein Tempo zu und gingen zuversichtlich weiter.
Wir behielten recht. Als wir vorsichtig um die Ecke pirschten, sahen wir schon ihre rötliche Decke durch einige Heckenäste durchschimmern. Sie stand ruhig auf der Wiese und äste, keine 35 m weg von uns. Ich baute meinen Zielstock auf und betrachtete das Urgestein. Ein kurzer Blick reichte, um ohne jeden Zweifel erkennen zu lassen, dass sie nicht nur sehr alt war, sondern vor allem schwer krank sein musste. Am Körper zog sich nur noch die Decke, aber kein Muskel mehr über die Knochen, der Bauch war allerdings kugelrund. Ihr Spiegel war verschmiert und die knochigen Läufe waren schwer zu bewegen, dennoch sah sie ganz zufrieden aus, dachte ich mir zumindest ein paar Mal.
Wir beobachteten sie 20 Minuten, sie warf oft zu uns auf, konnte oder wollte uns aber nicht mehr sehen. Das erinnerte mich an ein Rudel Rotwild auf einer Jagd in Brandenburg, wo mich das Alttier auf 120 m durch den Bestand auf einem Drückjagdbock sofort erkannt hatte und die Truppe zum Rückzug trieb. Wir schauten die ganze Umgebung nach einem möglichen Kalb ab, waren uns aber auch anhand keiner vorhandenen Spinne sicher, dass es, wie vermutet, kein Kalb mehr gab.
Der Gedanke, dass ich sie, sobald sie richtig steht, schießen werde, trieb mir Tränen in die Augen, aber hier gab es nichts zu überlegen.