Rudi nickt ihm zu, wirft mir einen Blick der Verachtung zu, setzt sich in Bewegung und nach etwa 10 m finden die beiden weitere große Stücke Knochen und noch mehr Schweiß. Jetzt habe ich so richtig schlechte Laune. Ich trotte hinter den beiden her, grummle in meinen nicht vorhandenen Bart und bin wütend. Rudi arbeitet ruhig, souverän und wartet sogar, damit Philipp mit der Schweißleine hinterher kommt. Für beide fallen mir in diesem Moment etwa eine Million Worte ein, die man wirklich besser nie niemals nicht laut aussprechen sollte. Sie finden immer wieder Schweiß in immer kürzeren Abständen. Langsam arbeiten Sie sich durch den Schnee. Sie erreichen ein kleines Stangenholz. Rudi wird plötzlich stocksteif, er holt Wind, prescht vor. Er hat das Kitz gefunden, es liegt im Wundbett. Wie ferngesteuert packt er es an der Drossel und hält fest. Philipp fängt es ab. Ich war selten so stolz wie in diesem Moment.

Was war passiert? Aufgrund der einsetzenden Dämmerung hatte ich zwar das „richtige“ Kitz beschossen, dies war aber zurück zur Ricke gesprungen, während das gesunde Kitz wohl die Flucht nach vorn antrat. Durch den Mündungsblitz und das Zusammenkneifen der Augen war mir dieses Detail wohl entgangen.

Rudi lief den ganzen weiteren Abend sowie die 2 folgenden Tage mit stolz geschwellter Brust durch die Gegend und würdigte mich keines Blickes. Zu tief saß seine Enttäuschung darüber, dass ich ihm nicht vertraut hatte. Am dritten Tag hatte er mir dann verziehen. Vielleicht auch, weil ich ihm seine Weste anzog und im Auto auf den Weg in den Wald mitteilte, wir würden eine Sau suchen gehen. Am Morgen war einer der Pirschbezirks-Nachbarn mit seinem Hund unterwegs gewesen und hatte Schweiß in einer Saufährte mitten durch unseren Pirschbezirk bestätigt. Philipp war dem nachgegangen und konnte dann nach etwa 2 km quer durch den Wald und den Schnee eine Dickung ausmachen, in der er die kranke Sau vermutete. Innerhalb kürzester Zeit konnten wir 8 Jäger zusammenrufen, die diszipliniert leise anrückten und die für uns strategisch bestens liegende Dickung abstellen.

Um die Stärke des Königs nicht schon vorab zu schwächen, entschloss ich mich, ihn bis zu seinem Einsatzort zu tragen. Natürlich erntete ich dafür Kopfschütteln. 7 der 8 Jäger gaben später zu, sie hätten es für die blödeste Idee gehalten, die ihnen jemals unterbreitet wurde, mit einem Dackel im Schnee eine Sau jagen zu wollen.

Unter den kleinen Tannen und Fichten lag jedoch so gut wie kein Schnee und so erhofften wir uns gute Bedingungen für den Arbeitseinsatz des Kämpfers. Für diesen Teil unseres kühnen Planes sollten wir Recht behalten.

Nach einem gefühlten Wimpernschlag gab Rudi Standlaut. Die Wipfel verrieten ein kleines Gerangel unter den Zweigen und am Ende war das Stück Schwarzwild genervt genug, die Dickung zu verlassen. Wieder hatten wir Glück, denn die Sau verließ dort Ihren Unterschlupf, wo wir hofften, sie würde es tun und entsprechende Schützen abgestellt hatten. Der kranken Sau konnte ein tödlicher Treffer angetragen werden und sie verendete an Ort und Stelle. Rudi war nicht im unmittelbaren Gefahrenbereich, denn der Schnee außerhalb der Tannen und Fichten hinderte ihn hartnäckig daran, zu schnell zu nah zu kommen. Der kranke Überläufer wies 2 weitere Treffer auf: einen Laufschuss vorne sowie einen Keulentreffer. Sowohl aus den Nachbarrevieren als auch von den anderen Pirschbezirken hatte sich auf Nachfrage niemand gemeldet, der eine Sau beschossen hatte. Rudi war der König des Sonntags und meiner sowieso.


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