Kitzrettung mit der Drohne – ein erstes Fazit

Kitzrettung mit der Drohne – ein erstes Fazit

Text: Carola Rathjens
Bilder: Carola Rathjens & Steffi Götz

Ein kleiner Bach mäandriert durch die Stille. Das Plätschern hat etwas Meditatives. Die Wiesen schmiegen sich in sanften Hügeln vor den Waldrand, leichter Nebel zieht auf, in der Ferne höre ich das Brummen des Revierfahrzeuges unseres Freundes Marc.

Marc hat seit mittlerweile 10 Jahren das Revier im Ostallgäu gepachtet. Die 700 ha teilen sich auf in etwa 45% Wald, der Rest sind Wiesen, Weiden und Ackerflächen. Ein weiteres Highlight ist das Moos. Dieser Teil des Revieres ist ein absolutes Biotop, das wie Schweden in Bayern anmutet.

In Marcs Revier klappt die Zusammenarbeit von Jägern und Landwirten vorbildlich. Wird im Frühjahr gemäht, bekommt Marc rechtzeitig Bescheid. Anfänglich wurden zur Kitzrettung Scheuchen mit flatternden Tüten aufgestellt und die Flächen fußläufig abgegangen. Seit etwa 4 Jahren komplettieren elektronische Wildscheuchen mit akustischen und optischen Signalen die Ausstattung.

Anfang 2022 hat Marc in eine Drohne investiert, um noch schneller und flexibler agieren und reagieren zu können. Selbstverständlich hat er im Zusammenhang mit der Anschaffung im Vorhinein auch die Prüfungen zum Kompetenznachweis A1/A3 sowie das Fernpilotenzeugnis EU-A2 abgelegt und seine Drohne beim Luftfahrt-Bundesamt registrieren lassen.

Bei der Drohne handelt es sich um das Modell DJI Mavic 2 Enterprise Advanced. Für € 5.929,00 kein wirklich günstiger Spaß. Die Extra-Ausstattung DJI Mavic 2 Enterprise - Fly More Kit (Part1) schlägt nochmal mit € 439,00 zu Buche.

Wie das wohl klappt… Bis dato hatte ich zwar durch eine gute Freundin, die sich sehr aktiv mit der Kitzrettung per Drohne beschäftigt, gewusst, dass das funktioniert, aber ich wusste auch, dass man dafür ziemlich früh aufstehen muss… Und da waren sie wieder, meine drei Probleme… 1. Das frühe Aufstehen, 2. Das frühe Aufstehen und 3. Das frühe Aufstehen - wenn auch für einen guten Zweck…

Der erste Einsatz fand Anfang Mai statt. Morgens. Um 4.00 Uhr. Marcs Augenringe erzählten eine sehr schöne Pandageschichte in mehreren Kapiteln. Schweigend bereitete er das Set vor und los ging die wilde Fahrt.

Bald nach dem ersten Überflug deutete eine Wärmesignatur auf einen Fund hin und wir beide waren schlagartig hellwach. Mein Job war an diesem Morgen, die Wärmesignatur fußläufig per Funk eingewiesen zu finden und zu checken, worum es sich handelte. Nach wenigen Metern wünschte ich mir, ich hätte doch auf den Rat meiner Lebensabschnittsgefahr gehört. Wie Gischt klatscht das nasse Gras in Hüfthöhe gegen meine Hose und das Wasser rinnt wie ein Priel an meinen Beinen runter. Gummistiefel wären jetzt schön, aber so große Klugscheißer wie ich einer bin, können besser fühlen als hören…geschieht ihm recht, dem Fischkopp…

Der erste Fund ist eine Katze, die sich in atemberaubender Geschwindigkeit von mir entfernt. Schon hat Marc mit Hilfe der Wärmebildkamera an der Drohne einen weiteren Hotspot ausgemacht. Und da ist es - unser erstes Kitz für diese Saison. Der Größe nach zu urteilen, ist es maximal ein paar Tage alt und lässt sich mit sehr viel Grasbüschel drumherum in Richtung Waldrand tragen. Unter einem mitgebrachten Korb bleibt es dort, bis der Landwirt seine Arbeit getan hat. Das nächste Kitz in dieser Wiese ist schon etwas mobiler. Unter markerschütternden Schrei- und Fieplauten muss ich es aus der Wiese tragen und ebenfalls unter einem Korb „einsperren“.

Gerade als ein Hase als nächste Wärmequelle die Wiese in Sprintmanier verlässt, hören wir das Scheppern des großen Schmetterlingsmähwerkes am Schlepper des Landwirtes. Er bedankt sich für unsere Hilfe, klappt seine „Flügel“ aus und fliegt über die Wiese. Kein Tier hätte auch nur den Hauch einer Chance, da sind wir uns alle einig. Nachdem die Wiese fertig gemäht ist, entfernen wir die Körbe über den kleinen Geschöpfen und hoffen das Beste.

Diese Art morgendlicher Beschäftigung wiederholte sich im Laufe des Mai und Juni noch so einige Male. Die Flugbegleiter wechselten, der Pilot war immer der gleiche.

Insgesamt konnten unter Zuhilfenahme der Drohe 21 Kitze lebend aus den Wiesen geholt werden. Eines fanden wir, das noch Körpertemperatur hatte, aber leider nicht mehr lebte, eines ist doch während eines Mähvorgangs so schwer verletzt worden, dass es vor Ort erlöst werden musste. Hier wurde jedoch vor dem Mähen zu spät Bescheid gegeben – es war viel zu warm und eine brauchbare Wärmesignatur zu sehen.

Hatte man früher so gar keinen Überblick darüber, ob und wie viele Kitze in einer Wiese lagen, wurden die Fundstellen jetzt dokumentiert, um für die nächsten Jahre vielleicht so etwas wie ein Muster erkennen zu können oder eine Präferenz der Flächen und Orte. Manche Landwirte sind immer noch der Meinung, dass „die Jäger“ allein dafür verantwortlich seien, die Wiesen und Weiden vor dem Mähen abzusuchen, Kitze zu sichern und die Landwirte anzubetteln, um verlässliche Informationen über den Mähtermin zu erhalten.

Per Gesetz wird andersrum ein Schuh draus. Der Tierschutz ist in Art. 20a GG festgehalten und weiterhin gilt §1 des Tierschutzgesetzes, dass niemand ohne vernünftigen Grund Tieren Leiden und Schmerzen zufügen darf. Derjenige, dem das Jagdrecht zusteht (meist der Landwirt), ist der „Eigentümer“ des Wildes und nach §3 BJagdG zur Hege verpflichtet. Gemäß §39 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten, wildlebenden Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu verletzen oder zu töten. Entsprechend des sogenannten Verursacherprinzips ist grundsätzlich der Landwirt bzw. der Fahrer/Maschinenführer/Lohnunternehmer für das Absuchen der Flächen zuständig. Für den Jagdausübungsberechtigten gibt es eine Mitwirkungspflicht (§1 Abs. 1 S.1 BJagdG-Hegepflicht), jedoch ist der Landwirt derjenige, der durch die Mahd das Wild einer Gefahr aussetzt. Selbstverständlich hat auch der Landwirt eine Hegeverpflichtung.

Wenn Sie als Spaziergänger durch Feld, Wald und Wiesen streifen und auf ein Wildtier stoßen, von dem Sie meinen, es sei verlassen - lassen Sie es an Ort und Stelle liegen!

Mehr als 80% der „geretteten“ Wildtiere hätten eine Rettung gar nicht nötig gehabt. Grundsätzlich ist es verboten, sich Wildtiere anzueignen. Dies obliegt einzig dem Pächter/Eigenjagdinhaber und nur dieser darf entscheiden, wo die Wildtiere verbleiben. Nothilfe darf grundsätzlich gemäß §20g Abs. 4 BNatSchG geleistet werden, jedoch müssen die Tiere unverzüglich in die Freiheit entlassen werden, sobald sie sich dort selbständig erhalten können.

Wenn Sie ein verletztes Tier finden und sich unsicher sind, informieren Sie den zuständigen Jagdausübungsberechtigen. Falls sie das nicht genau wissen, wenden Sie sich an die örtliche Polizeidienststelle, die helfen gern weiter.

Das Fazit der ersten Saison ist ein durchweg positives! Ob man nun eine Kosten-/Nutzen-Rechnung aufstellen soll, um zu dokumentieren, ob sich die Anschaffung der Drohne „gerechnet“ hat, bleibt fraglich. Für diejenigen, die Marc als Flugbegleiter assistieren konnten, hat sich der Einsatz auf jeden Fall gelohnt.

Vielen Dank an dieser Stelle an die Landwirte des Revieres, mit denen die Zusammenarbeit nicht nur in Extremsituationen wie der Ernte, sondern das ganze Jahr über ganz hervorragend funktioniert.


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