In einer Nacht nahm ich sie mit. Meine Schwester ist nicht der mutigste Mensch der Welt, aber dieses Abenteuer wollte sie sich nicht entgehen lassen. Der Gang raus aus dem Zelt und rein in die Natur ist wahrscheinlich der Schwerste. Man überwindet die letzte Grenze und wird Teil der Natur, deren Beobachter man normalerweise ist. Mit etwas zittrigen Beinen lief sie los, natürlich überließ ich ihr die Kamera. „Lisschen, guck mal da, das sind keine Rehe!“, nach wenigen hundert Metern hatte sie Vertrauen in die ungewohnte Situation gefasst und sich, wie ich, völlig in den Bann der Nacht ziehen lassen. „Das sind Sauen!“ und sofort schlug mein Herz bis zum Hals, es sollte wirklich klappen, eine Sauenpirsch mit meiner kleinen Schwester, was ein Spaß! Die Rotte stand leider zu weit entfernt, um sie in anständiger Zeit erreichen zu können, denn ihr Ziel war der nahe gelegene Wald und damit das Nachbarrevier. Nun war guter Rat teuer. „Wir holen die Jungs!“ Es war eine spannende Pirsch zu viert, wir mussten die Sauen mehrfach umschlagen und standen irgendwann zu viert nur wenige Meter von ihnen entfernt, zunächst unbemerkt. Dann drehte der Wind und die Bache schnaubte, wir erwarteten den Rückzug der Sauen, aber der kam nicht, ein paar unbelehrbare Überläufer waren zu neugierig und so tanzten wir umeinander, ohne dass wir einen Schuss anbringen konnten. Schlussendlich klappte es doch noch, es war verdienter Lohn für tolle Teamarbeit und das Fleisch hat wunderbar geschmeckt.
Meine Hunde begleiteten mich immer und besonders meine kleine Münsterländerhündin konnte viele Eindrücke und Erfahrungen sammeln, sie durfte mit einer Meute aus Heideterriern balgen, konnte Sauen nachsuchen, auch hier ein Hoch auf meine Wärmebildkamera, denn man sieht, dass das Stück sicher verendet ist, bevor man mit einem Welpen auf die Suche gehen kann, konnte Füchse beuteln, schwimmen lernen und den schönen Duft der Jagd ganz tief einatmen. Ganz nebenbei, ohne Druck, mit viel Spass. Meine drei Hündinnen und ich wurden ein noch viel besseres Team, als vorher. Das Ganze gipfelte darin, dass man, wenn man so allein unterwegs ist, Rituale entwickelt. Unser Morgenritual war immer gleich, alle Hunde rauslassen, rennen lassen und danach ausgiebig mit jeder Hündin knuddeln, während die anderen noch ein wenig um den Bus herumwuselten.
In diese morgendliche Idylle platzte irgendwann ein Jogger, der sich wohl verirrt hatte und war erstaunt über die Anzahl der Hunde, die da wuselte. „Sind Sie vom Tierheim¬“ – ¬„Nein, warum?“ „Sie haben so viele Hunde dabei!“ – „Ich bin Jägerin, die gehören alle mir.“ „Ach, dann machen Sie das wohl professionell.“
Ich blieb ihm eine weitere Erklärung schuldig, was soll man auch sagen, wenn man morgens in Pyjama neben einem Bus steht und, während man mit seinen Hunden spricht, die Waffe entlädt.
Kurzum, es waren die besten Ferien aller Zeiten, ich werde diesen Sommer unendlich vermissen und die Drückjagdsaison hat nun eine ernsthafte Konkurrenz im bunten Strauß der schönsten Jahresjagdzeiten bekommen.