Früh, sehr früh am nächsten Morgen klingelten die Wecker. Strategisch positioniert, sodass mindestens zwei Leute aufstehen mussten und somit die Überwindung der morgendlichen Bettschwere garantiert werden sollte. Der Plan ging auf und nach einer Katzenwäsche stolperten wir zum Auto und ließen uns in aller Stille durch die sternenklare Nacht ins Revier chauffieren. Die Sitze blieben wie am Abend zuvor zugeteilt, so wusste jeder was die Umgebung für Tücken hatte und wohin der nächste Schritt gesetzt wird.
Langsam ging die Sonne über den Baumwipfeln auf. Für mich immer wieder ein sehr bewegender Moment. Das Licht und das beginnende Vogelkonzert bestärkt mich jedes Mal wieder darin, dass dieser Teil meines Lebens, der für mich Wichtigste ist. Ich höre einen Schuss durch den Wald hallen und hoffe, dass einer „meiner“ Jungs ein Stück strecken konnte. Eine Info darüber erhalte ich erst nach dem Abbaumen, denn in Teilen dieses Revieres gibt es Empfangslücken, so groß wie schwarze Löcher, sodass man beim Jagen tatsächlich ganz bei der Sache sein MUSS.
Ein zweiter Schuss, viel weiter, kurz darauf ein dritter. Ich lausche weiter in die Stille. Was war das? Ein kleiner Schmatzer und ein leises Grunzen? Ich richte mich auf und bin hellwach. Die Kanzeln sind für Menschen ab 1,80 m Körpergröße ausgerichtet, ich muss mich recken. Durch das Fernglas äuge ich die einzelnen Strecken des Krähenfußes entlang. Und dann taucht sie auf, eine Bache mit Frischlingen. Ganz in Ruhe, ganz vertraut ruft sie die Ihren, wartet bis alle wieder bei ihr sind und zieht dann weiter. Wind hat sie keinen von mir bekommen und so kann ich in aller Ruhe beobachten. Dafür hat sich die Quälerei aus der warmgelegenen Sasse doch gelohnt. Dann sind sie weg. Ich gucke auf die Uhr und baume ab. Wir fahren zu den Schützen um zu sehen, ob diese die Funktion Ihres Abzuges getestet haben oder ob auch Wild zur Strecke gekommen ist. Ist es, Waidmannsheil! Wir versorgen drei Böcke und fahren dann zum Frühstück. Mutti beköstigt die Kinder mit Rührei und Speck, es gibt frische Brötchen, die die „Herbergsmutter“ an unsere Tür gehängt hat und wir lassen es uns gut gehen. Nach dem Frühstück machen wir uns ans Werk, hatte doch der Förster um Hilfe im Revier gebeten. So stellen wir Drückjagdböcke um und auf, reparieren Leitern, harken Wege, und machen uns nützlich. Zu Mittag grillen wir die mitgebrachten Spezialitäten am Forsthaus und legen uns ein Stündchen in die Sonne. Schönes Leben!
Am Nachmittag verbringen wir die Zeit mit den restlichen Revierarbeiten und chillen, wie die Kinder zu sagen pflegen. Sie raten mir mehrfach „chill' mal dein Leben!“ und ich lasse mich irgendwie darauf ein. Gegen Abend fahren wir wieder ins Revier und beziehen neue Sitze. Das Wetter war immer noch traumhaft schön und auf diesem Platz hatte ich sogar mit meinem Handy Empfang, sodass ich der Außenwelt Bilder von dem schönen Fleckchen schicken konnte. Ich sah eine Ricke und ein Schmalreh, welches mir zu weit entfernt stand, als das ich einen Schuss hätte antragen mögen. Zwei Hasen spielten fangen und immer wieder diese Vögel... Dann plötzlich am Ende der Schneise ein einzelnes Stück Rotwild. Mein Puls schnellt in die Höhe und ich bekomme feuchte Hände. Das war das erste Mal, dass ich in freier Wildbahn Rotwild im Anblick hatte und dieses sogar erlegen durfte. Leider fehlte mir die Erfahrung und auch eine Vergleichsgmöglichkeit als das ich dieses Stück hätte eindeutig ansprechen können. Schade, aber schön zu beobachten. Der weitere Abend brachte kein weiteres Wild und ich berichtete stolz beim Abendbrottisch von meinem Erlebnis. Die Jungs waren sich sicher, dass es sich um ein Schmaltier gehandelt haben musste und ich hätte schießen sollen. Ich war mir eben nicht sicher und ließ den Finger lieber gerade.