Meine erste Jagdreise nach Lettland
Jagdgeschichten

Meine erste Jagdreise nach Lettland

Text & Bilder: Lisa Jensen

Letzten Sommer saß ich mit meinen Eltern und einem Freund auf unserer Terrasse in Dänemark und wir genossen die herrliche nordische Brise, die uns ins Gesicht wehte. Eigentlich höre ich erst gar nicht hin, wenn sich mein Vater mit seinen Bekannten auf dänisch unterhält, da ich sowieso nicht viel verstehe.

Als der Freund dann aber meinen Vater fragte, ob er mit nach Lettland zur Jagd fliegen möchte, spitzte ich doch meine Ohren. Ich kannte schon seine Antwort, bevor er den Mund aufmachte, denn mein Vater ist der introvertierteste Mensch, den man sich nur vorstellen kann. Mit einem Flugzeug fliegen, mit fremden Menschen und dann auch noch Drückjagden? Auf gar keinen Fall! Nichts geht über einen gemütlichen Sauenansitz oder eine Entenjagd im eigenen Revier, und zwar alleine. „Gut, dann fliege ich eben mit.“ sagte ich. Ein fremdes Land mit einer anderen Flora und Fauna? Wahnsinnig interessant!

Die Diskussion entfachte und mit ganz vielen Totschlagargumenten konnten wir ihn schlussendlich doch noch überzeugen. Noch am selben Abend war die Reise gebucht und ich konnte es kaum abwarten. Mein Vater war mindestens genauso aufgeregt, konnte es wahrscheinlich nur nicht so zeigen. Ich beantragte den europäischen Feuerwaffenpass und wartete auf den Herbst.

Da die Reise von Dänemark ausging, fuhr ich also im Herbst von Deutschland wieder hoch in den Norden. Nach einer achtstündigen Fahrt kam ich mit knurrendem Magen an und die Aufregung stieg. Mein Vater empfing mich und bot mir überraschenderweise etwas zum Abendessen ab. Er ging in die Küche und kam mit einer Dose Bier und einer Dose Fisch zurück. Ich musste über seine Kochkünste schmunzeln, er zuckte die Schultern und wir wussten beide: Wir werden eine tolle Zeit haben.

Am nächsten Morgen ging es zum Flughafen, wir flogen nach Riga und fuhren von dort in das wunderschöne Jagdhaus, das direkt an einem See lag. Da wir erst mitten in der Nacht ankamen, gab es nur noch etwas zu Essen und danach ging es direkt ins Bett, denn am nächsten Tag sollte es schon ganz früh losgehen.

Nach der kurzen Nacht frühstückten wir und danach bekamen wir alle Anweisungen und Informationen zur Jagd. Freigegeben waren Elche, Rotwild, Schwarzwild, Rehwild und Wölfe. Alle bekamen eine Nummer, die der Nummer für die Stände entsprach. Danach ging es in den Bus und nacheinander wurden alle zu ihren Ständen gefahren.

Jeden Tag waren 5-6 Treiben in verschiedenen Revieren geplant, die aber recht kurz waren, sodass man zum Glück gar nicht zum Frieren kam. Es nieselte und ich hatte den gesamten Tag keinen Anblick. Drei andere Jäger konnten drei Elche erlegen und somit war die Stimmung gut und alle freuten sich für sie. Am Ende aller Treiben wurde die Strecke gelegt und ich war fasziniert, wie riesig die Elche doch sind.

Nach der Drückjagd fuhren wir wieder zurück zum Jagdhaus und stärkten uns. Diejenigen, die nach dem langen Tag noch motiviert waren, bekamen die Möglichkeit, mit einem lettischen Jäger zu pirschen oder auf den Ansitz zu gehen. Natürlich war meine Motivation groß und ich pirschte mit dem Förster des Reviers los. Leider sprach er weder Englisch noch Deutsch und somit kommunizierten wir mit Zeichensprache und für die wichtigen Dinge half uns der Google Translator.

Wir pirschten auf einer Wiese von Strohballen zu Strohballen. Es wirkte, als hätte er etwas gesehen, und innerlich hoffte ich auf einen Elch. Mit Zeichensprache wollte er mit mittteilen, dass er etwas mit einem Gehörn oder Geweih gesehen hatte. Ich wusste nicht, ob es ein Elch, ein Hirsch oder ein Bock war, den er gesehen hatte, und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich überraschen zu lassen. Dann sah ich einen Elch und mein Puls war hoch, mein Herz pochte, er bemerkte uns jedoch direkt und so schnell wie ich ihn gesehen hatte, war er auch schon wieder verschwunden.

Schade, aber meine Begeisterung war groß, nun auch endlich mal einen Elch gesehen zu haben.

Wir pirschten noch etwas weiter und sahen einen Spießer mit einem Schmaltier auf sehr weiter Entfernung. Also pirschten wir weiter, bis ich mir sicher war, dass ich eine saubere Kugel antragen kann.

Ich legte auf einem Strohballen auf, ließ die Kugel fliegen. Der Spießer lag im Knall. Mein erstes Stück Wild in einem anderen Land. Ich freute mich sehr. Im Jagdhaus angekommen, erzählte ich von meinem Abend bei einem kühlen Bier und wir ließen den Abend gemütlich ausklingen.

Am nächsten Morgen ging es wieder früh los. Noch etwas müde stieg ich in den Bus und hatte irgendwie nicht viel Erwartung, da ich am vorherigen Tag auf der Drückjagd gar nichts gesehen hatte. Beim zweiten Treiben saß ich auf einer großen offenen Fläche. Es war etwas kühler und ich mummelte mich gemütlich ein. Nach ein paar Minuten riefen die Treiber „Bull, Bull!“. Kurzer Zeit später knallte es und in meinem Kopf wünschte ich dem Schützen schon Waidmannsheil. Auf einmal riefen sie wieder „Bull! Bull!“.

Doch diesmal war es sehr nahe an meinem Stand. Oh Gott! Ich war sehr, sehr aufgeregt. Hier wird doch jetzt nicht wirklich ein Elch kommen? Es krachte direkt am Weg neben mir, ein Elch kam von rechts aus dem Wald und lief auf dem Weg vor mir an meinem Stand vorbei. Ich nahm das Gewehr in den Anschlag und schoss. „Mist, vorbei!“ dachte ich und schoss erneut. Kein Zeichnen. Nichts. Ich schoss erneut. Nichts. Der Elch verschwand auf der anderen Seite im Wald. Ich konnte kaum glauben, was gerade passiert war, und war den Tränen nahe. Nicht, weil ich dachte, dass ich nun vorbeigeschossen hatte, sondern weil meine Angst groß war, dass ich den Elch angeschossen hatte und er nun irgendwo qualvoll liegt.

Ich zitterte und war auch irgendwie sauer auf mich. Normal schieße ich doch nur, wenn ich mir zu 100% sicher bin, dass ich das Tier auch wirklich tödlich treffe. Und jetzt bin ich in einem anderen Land, in einem fremden Revier und mache so etwas vor Aufregung. Ich nahm das Gewehr und stellte es, enttäuscht von mir selbst, in die Ecke. Die Minuten bis zum Ende des Treibens fühlten sich an wie Stunden. Aber eigentlich war ich mir doch ganz sicher, oder nicht? Meine Gedanken kreisten und ich konnte nichts tun, außer zu warten.

Endlich kamen die Treiber und fragten „Did you shoot?“ Ich nickte und zeigte in die Richtung, in die ich geschossen hatte. In dem Moment kam auch schon mein Vater freudestrahlend und rief von weitem: „Hast du geschossen? Waidmannsheil!“. „Nee, es war vorbei glaube ich, oder hoffe ich...“ Da riefen die Treiber: „Here is blood!“ und liefen mit den Hunden in die Richtung, in die ich auch den Elch verschwinden sah. Ich sollte erst einmal am Weg warten.

Nach kurzer Zeit riefen sie mir zu und ich eilte sofort zu den Treibern. Nach 200 Metern lag er in einer Dickung. Mein erster Elch und alle drei Schüsse mitten auf dem Blatt. Ich war wahnsinnig erleichtert.

Die Treiber lachten und sagten: „Das war dein erster Elch, oder? Die meisten schießen mehrmals, da die Elche oftmals nicht auffällig zeichnen und somit die Schützen sich immer ganz unsicher sind, ob sie getroffen haben.“ Alle freuten sich mit mir und da ich die einzige Jägerin war, bekam ich mit einem Augenzwinkern eine rote Rose als Bruch. Am Abend ging ich mit dem Pirschführer zum Ansitz. Der Wind passte leider gar nicht und so entschieden wir, eine Runde zu pirschen.

Auf weiter Entfernung sahen wir einen Elch, und wir kämpften uns durch die Böen, um näher an ihn ranzukommen, jedoch ohne Erfolg. Er bemerkte uns und verschwand sofort im Wald. So pirschten wir weiter und sahen mitten auf einer Wiese einen Elch, der deutlich stärker war als der, den ich am Morgen erlegen konnte. Der Pirschführer sagte, dass ich schnell schießen solle wegen des schlechten Windes. Also nahm ich das Gewehr in den Anschlag und konnte eine saubere Kugel antragen.

Diesmal mit etwas weniger Aufregung und mehr Selbstbewusstsein als am Morgen. Der Elch ging noch wenige Meter, bis er schließlich zum Erliegen kam. Ich bekam einen Bruch und wir fuhren zurück ins Jagdhaus.

Am letzten Tag war keine Drückjagd mehr vorgesehen, da der Flieger gegen Nachmittag startete, und so ging ich am frühen Morgen noch eine Runde pirschen. Auf dem Weg zum Hochsitz sahen wir einen starken Bullen, der uns aber sofort bemerkte. Wir saßen eine halbe Stunde auf dem Hochsitz, als plötzlich eine Elchkuh mit ihrem Kalb auf die Wiese lief. Ich entschied mich nicht zu schießen und genoss in dem Moment die fremde Wildart in Ruhe beobachten zu können. Als wir abbaumten und Richtung Auto liefen standen mitten auf dem Pirschpfad zwei Elchbullen, die miteinander kämpften. Sie waren so miteinander beschäftigt, dass wir bis auf 30 Meter auf sie zulaufen konnten. Ich freute mich so sehr über diesen schönen Abschluss mit so viel Anblick.

Beim Jagdhaus wurden nochmal alle Trophäen gezeigt und Fotos gemacht. Insgesamt konnten 11 Elche, 4 Sauen und 3 Rehe erlegt werden. Zufrieden flogen wir zurück nach Dänemark. Auch wenn mein Vater nichts erlegen konnte, war es für uns eine rundum gelungene Reise, die wir nicht so schnell vergessen werden.


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