Ein Himmel voller Jungjäger
Jagdgeschichten

Ein Himmel voller Jungjäger

Text & Bilder Ales Maxa

In jedem Jägerleben kommt es meiner Meinung nach zu gewissen Entwicklungen – von einem passionierten Jäger wird man zu einem, der eher auf die Hege achtet. Diese Veränderung haben mir viele meiner Jagdfreunde bestätigt. Dazu kommt, zumindest bei mir, noch eine andere Weiterentwicklung: ich muss zugeben, dass ich oft großes Jagdglück habe – was ich bis jetzt erleben durfte, das wäre genug für mehrere Jagdleben. Dafür bin ich sehr dankbar, aber auch demütig, weil mir klar ist, dass nicht alle Mitjäger ein solches Glück haben. Und in den letzten Jahren merke ich immer öfter, dass ich die Jagd viel mehr genieße, wenn ich meinen Jagdfreunden ganz neue Erlebnisse bei der Jagd ermöglichen kann. Dann habe ich oft größere Freude, als wenn ich es selbst erlebt hätte. Vor ein paar Wochen etwa habe ich ein solches intensives Jagdwochenende erleben dürfen, welches ich jetzt mit Ihnen teilen möchte.

Alles hat eigentlich wieder dank Facebook angefangen – schon vor zwei Jahren habe ich dort Marie Theres Zwettler (damals noch Witurna) kennengelernt. Da wir beide eine ähnliche Einstellung zur Jagd haben, waren unsere ersten Kontakte, als ob wir uns schon seit Jahren kennen würden. Sie als Jagdausbilderin leitet Jagdkurse unter ihrem Unternehmensnamen Jagdkarte.at. Im Frühjahr diesen Jahres haben wir einmal verabredet, gemeinsam eine Jagd für ihre Jungjäger zu organisieren, bei der ich meine Jagdkontakte in Tschechien nutzen kann. Im letzten Jahr war ich zu einer Enten- und Gänsejagd im südlichen Teil Mährens eingeladen – eine kleine, aber angenehme Jagd, die den Jungjägern gefallen konnte. Abgemacht! Nach paar Tagen, die wir für die Terminabstimmung brauchten, war es klar: 21.-23. Oktober sollte das Wochenende sein, an dem fast 20 Jungjäger ihre erste wahre Jagd erleben sollen! Die Idee war ganz einfach – am Freitag ein gemütliches Abendessen, bei dem wir alle uns kennenlernen können. Am Samstag früh ein Gänsestrich, anschließend sollte es auf Enten gehen. Für den Samstagabend war wieder ein Gänsestrich geplant, um dann mit einem guten Abendessen samt Weinverkostung den Tag abzuschließen. Die gesamte gemeinsame Jagd wiederum würde dann am Sontag früh erneut ein Gänsestrich beenden. Der Plan klang klar und einfach, doch die Realisation war weit davon entfernt. Nicht zu vergessen: Theresa hatte ihren Geburtstermin im November (jetzt, wenn ich diese Zeile schreibe, ist sie schon stolze Mutti des süßen „Jungjägers“ Paul)! „Hut ab vor Theresa,“ dachte ich mir, als ich die Jagd mit plante.

Was alles muss man aber vorher erledigen? Viele kleine Sachen, die zu 100% klappen müssen, um dann das gesamte Erlebnis bilden. Aber wie Sie es noch erfahren werden, hat nicht alles geklappt, wie geplant. Aber so ist das Leben – und wir müssen vorbereitet sein, um dann flexibel auf Veränderungen zu reagieren.

Ein Himmel voller Jungjäger

Ein Himmel voller Jungjäger

Große und detaillierte Vorbereitung brauchten wir für die Erstellung der tschechischen Jagdscheine – man braucht nicht viele Unterlagen dafür, doch alle in Ordnung und sortiert von 20 Jägern zu bekommen, das war eine tolle Leistung. Die arme Theresa war im ständigen Druck zwischen den Fragen der Jungjäger und der Kontrolle auf meiner Seite. Letztendlich haben wir doch erfolgreich insgesamt über 60 Dokumente gesammelt. Und dann kommt die Unterkunft – in der Hauptsaison der Weinbauer! Dazu die Frage, wie sollte man eine so große Gruppe auf die jeweiligen Zimmer aufteilen? Einige wollten zusammen sein, andere wieder unbedingt ein Einzelzimmer. Man muss auch zugeben, dass das Niveau der Dienstleistungen in dieser Gegend leider nicht so gut ist (obwohl bereits so viele Jahren nach der Wende!). Das alles war nur mit Kompromissen zu lösen – wir sind ja nicht wegen der Unterkunft da, sondern als Jäger, also wegen Jagderlebnissen. Gott sei Dank half mir mein Jagdkollege Petr, der in diesem Dorf lebt und die Leute vor Ort kennt. Na ja, aber dann war da ja noch die enge Auswahl von Lokalmöglichkeiten, die wir für unsere Verpflegung brauchten. Auch hier haben wir lange gesucht, bis wir dachten, dass wir etwas Passendes gefunden hätten - doch die Realität sollte sich erst später zeigen.

Dann war es so weit – Freitag, wir sollten uns am späten Nachmittag in diesem malerischen mährischen Dorf treffen. Da ich ein Perfektionist bin, war ich schon am Nachmittag vor Ort, damit ich die wichtigsten Details kontrollieren konnte. Als erste kam Theresa mit ihrem Mann, mit der ich aber ohnehin schon den ganzen Tag im Online-Kontakt stand. Wir gingen noch einmal die Liste der Jäger durch und machten die letzten Änderungen. Dann kamen die ersten Jäger an. Der Dorfteil, in dem wir unsere Unterkunft hatten, wurde von unglaublich schmalen Straßen gebildet. Diese Gässchen mit Weinkellern bilden eine malerische Atmosphäre, aber wie sollte man sich hier auskennen, wenn es dort keine Namensschilder gibt? Und wie kehrt man hier mit großen Autos um? Na ja, alle haben es geschafft und unsere Gruppe saß gemütlich in einem kleinen Weinkeller, in dem auch das Abendessen serviert wurde. Wir lernten uns kennen, die ersten Erwartungen an die Jagd wurden besprochen. Erst jetzt fiel mir auf, dass für mich nach 24 Jahren Jagd viele Dinge schlicht automatisch geschehen oder angenommen werden. In diesem Moment sah ich deutlich, dass z.B. bei der Vorstellung von den zwei Jagdtagen, die jetzt vor uns standen, man total andere Aspekte ansprechen und erläutern musste. Wie genau jagt man bei einem Enten-/Gänsestrich? Mit welcher Schrotgröße? Auf welche Entfernung sollte man schießen? Wie kann ich diese Distanz abschätzen? Was macht man dann mit dem Wild? Ich genieße diese wirklich einmalige Atmosphäre, wie diese „Frischlinge“, wie Theresa ihre Studenten nennt, ihre Gefühle besprechen. Dabei kann ich auch sehen, wie offen und informell die Beziehung zwischen Theresa und der Gruppe ist. Müßte ich jetzt die Jagdprüfung machen, dann sicherlich bei Theresa!

Der nette Abend war vorbei und ich liege im Bett – noch einmal gehe ich in meinem Kopf durch, was uns morgen erwarten würde. Alles sollte klappen… Na ja, alles… Was ich beeinflussen konnte, sollte klappen. Aber was war mit den Gänsen? Die machten mir schon Kopfweh. Es handelte sich um eine wilde Population und nach den Angaben von Petr waren derzeit nicht so viele da wie sonst. Im letzten Jahr hatte ich auf den Wasserflächen sicher über 1.000 gesehen – aber was, wenn hier morgen nur ein paar sein würden? Mit den Wildenten sollte es klappen. Und das Essen – wird es schmecken? Solche Fragen liefen durch meinen Kopf. Ich schaute auf die Uhr – 2 Uhr, 3 Uhr, 4 Uhr. Wann hatte ich eine solche traumlose Nacht wohl zum letzten Mal gehabt? Kurz bevor der Wecker läutete, schaltete ich ihn aus.

Samstagmorgen – ein kaltes Wetter wartete auf uns. Die frische Luft machte uns alle gleich munter. Das Dorf schläft noch, als wir uns auf zur Jagd machen. Wir trafen uns auf dem Parkplatz, wo wir tags zuvor unsere Autos geparkt hatten. Alle waren pünktlich und konnten zu den rund 15 Minuten entfernten Teichen fahren. Es handelt sich um eine große Kaskade von vielen Teichen, die ein Paradies für Wasservögel sind.

Der erste Trieb ist zu Ende und ich gehe zurück zu den anderen Jägern auf dem Damm. Voll von Erregung erzählen sie, wie sie diesen ersten Trieb erlebt haben – wie hoch sind die Enten gezogen, wieviel sollte man vorhalten, wie haben die Hunde gearbeitet. Alle sind aufgeregt: wir hatten wirklich sehr guten Anflug, doch nicht viele Enten wurden erlegt. Aber das gehört auch zu der Jagd! Als zweiten Trieb erwarten uns zwei Teiche – ich habe eine kleine Gruppe von unseren Jägern mit und stelle sie auf dem Damm zwischen diesen beiden Teichen an. Ich bleibe als Letzter am Ende des Dammes, gerade dort, wo der Wald anfängt. Und dieser Stand – dieser Stand ist echt toll! Die Enten kommen in kleineren Schwärmen auf uns zu. Jetzt endlich schieße ich viel besser und nach ein paar Minuten konnte ich sieben Enten erlegen. Dabei schaue ich meiner Nachbarin zu: sie schießt auf die Enten, dann dreht sich um und schaut, wie sie weiterfliegen. „Susi, nicht umschauen, nachladen und schießen!“ rufe ich zu ihr. „Weitere Enten!“ lasse ich sie wissen, als noch mehr Enten auf sie zufliegen. „Meine erste Ente!“ lächelt sie, nachdem eine Ente im Flug durch ihren Schuss zusammengesunken war. Weitere und weitere Ente fliegen uns an. Dazu ziehen die grauen Wolken weg und die Sonne mit dem blauen Himmel gibt dieser Jagd zusammen mit den herbstlich gefärbten Blättern eine wunderschöne Atmosphäre. Es ist wirklich ein toller Trieb, schon haben einige Jäger Probleme mit Patronen – einige haben fast alle verschossen! Für mich, einen „älteren“ Jäger ist es jetzt wirklich toll, die Kommentare und Erfahrungen der Jungspunde zu hören. Man spürt die Euphorie und Begeisterung!

Auf zum letzten Trieb – jetzt teilen wir uns wieder auf in zwei Gruppen und ich führe meine Gruppe hinter einem Damm versteckt, damit ich sie anstellen kann, bevor die Enten hochfliegen. Dieser Stand ist ein bisschen schwieriger – wir stehen direkt gegen die Sonne, also ich zumindest muss einige Enten fliegen lassen, weil ich sie fast nicht gesehen habe. Auch dieser Trieb ist sehr gut, Schwärme von Enten ziehen aus dem Schilf. Gerade so, dass man sich gut für den Schuss vorbereiten kann.

Unglaublich, wie die Zeit vergeht – langsam sammeln wir uns dort, wo unser Tag heute angefangen hatte. Die Enten werden hierher gebracht und wir bereiten die Strecke vor. Die Jungjäger sind weiter dabei, die Erlebnisse der letzten Stunden zu besprechen und damit auch viel intensiver zu durchleben, weil man diese Momente mit anderen Gleichgesinnten teilen kann. Und besonders, wenn es um die erste Jagd geht! Die Strecke entspricht nicht der Anzahl an Schüssen, doch kann man sehen, dass es niemanden stört und alle diese Momente genießen. Über 100 Wildenten liegen auf der Strecke! Die Jagd geht zu Ende und wir schließen sie mit den alten Jagdtraditionen ab. Auf den Gesichtern sehe ich, dass die Jungjäger voll von Erlebnissen und Emotionen sind – die erste Jagd wird ja wohl nie vergessen! Meine Nervosität geht langsam weg – alles sollte klappen wie geplant! Doch da wusste ich noch nicht, dass eine unerwartete Überraschung bevorstand. Bevor wir zum Mittagessen fahren, kommt noch eine kleine Ausbildung – was mache ich mit einer Ente, wenn ich sie nach Hause bringe? Wie reiße ich die Erpellocken aus? Oder wie ziehe ich eine Ente aus? Mit praktischer Demonstration zeigen wir den jungen Kollegen alles, was sie später auch alleine schaffen sollten.

Und dann kommt die Belohnung nach der anstrengenden Jagd: ein gutes aber doch spätes Mittagessen. Klassischer böhmischer Gulasch oder Schnitzel bringen uns die nötige Energie für den Abendstrich. Alles scheint in Ordnung zu sein. Doch mit der Qualität des Frühstücks war ich persönlich nicht gerade zufrieden und wie immer, wenn ich mit etwas nicht zufrieden bin, gehe ich zu dem Ober, um es offen mit ihm zu besprechen. Doch unsere Konversation bricht alle möglichen Szenarios – als Ergebnis lehnt er es ab, am Sonntag Frühstück für uns vorzubereiten! Na toll – was soll ich jetzt machen? Innerhalb von so kurzer Zeit in dieser Gegend eine Möglichkeit zu finden, ein Frühstück für fast 30 Leute zu bekommen? Ohne die Jäger zu erschrecken, dass sie morgen ohne Frühstück sind? Mit Kreativität aber auch mit gewissem Glück haben wir es doch geschafft – ich fahre mit Petr in ein Restaurant bei einer großen Tankstelle. Obwohl es nicht gerade beste Lage ist, helfen sie uns, dieses Problem zu lösen! Ufff… Zum Glück ist alles wieder unter Kontrolle.

Nun steht der Abendstrich vor uns – die Jagdgruppen haben gewechselt, ich führe sie und stelle am großen Teich an. Auf dem Wasserspiegel kann man bereits sehen, dass dort wirklich hunderte Gänse sitzen. Ich stehe nicht lange, in meinen Gedanken bin ich bei den Erlebnissen der letzten Stunden, als ich von rechts etwas höre. Gänse! Und zwar einige und ziemlich nahe! Ich wähle eine aus, ziehe mit und schieße den ersten Schuss - die Gans fliegt weiter. Zweiter Schuss – und die Gans bricht zusammen! Ist das wahr? Die allererste Gans in meinem Leben! Dank einem Labrador kann ich sie mir detailliert anschauen! Auch von den anderen Jägern höre ich Schüsse. Doch nachdem wir uns auf dem Treffpunkt sammeln, merke ich, dass zwar viele geschossen haben - doch alles war ohne Waidmannsheil. Schade, aber so ist es. Es ist ohne praktische Erfahrung sehr schwierig, die Flughöhe der Gänse richtig einzuschätzen, das kommt aber mit der Praxis.

Am Abend erwartet uns ein köstliches Abendessen in einem bekannten Weinkeller. Dieser Weinbauer hat schon viele Auszeichnungen im Ausland gewonnen. Bei einer Weinverkostung erklärt seine Frau uns immer, was genau wir trinken.

Doch dabei kann man sehen, dass der ganze Tag für die meisten Jungjäger doch schon anspruchsvoll war. Wir genießen die freundschaftliche und offene Atmosphäre. Und weil ich nun auch schon eine Gans erlegt hatte, konnte ich jetzt Alex zum Gänsejäger schlagen. Alle diskutieren und erzählen noch einmal, was sie heute erlebt haben, und erleben es damit noch einmal. Der Sonntagmorgen beginnt genauso wie am Tag zuvor. Noch bei Finsternis sammeln wir uns bei den Teichen und die zwei Gruppen machen sich auf den Weg zu ihren Ständen. Heute ist zwar kein Nebel, trotzdem sind wieder viele Gänse da. Meine Gruppe schießt auch viel, leider aber ohne jeden Treffer. Aber eine Überraschung wartet auf uns, als wir uns mit der zweiten Gruppe treffen: vier Gänse haben sie erlegt! Die Erleger sind überglücklich, das Lächeln auf den Gesichtern zeigt ihre Freude!

Das Frühstück, bei dem nun doch alles geklappt hat, beendet unsere gemeinsame Jagd. Sie war für fast alle die allererste, die sie in ihrem Leben erlebt haben. Fast alle haben ihr erstes Stück erlegen können, einige sogar ihre erste Gans. Sie in ihrem ersten, ich in meinem 24. Jägerjahr. Ich muss wieder eingestehen, dass es sehr wichtig ist, eine offene Beziehung mit den Jungjägern zu haben. Alle hatten keine Hemmungen, einfach Theresa oder mich zu fragen, ohne sich dabei unwohl zu fühlen. Niemand hat sie ausgelacht, alle haben damit gerechnet, dass die Jungjäger nicht alles wissen können. Ich hoffe, dass diese Einstellung dabei geholfen hat, zusammen mit Theresa ein unvergessliches Erlebnis für ihre „Frischlinge“ zu organisieren!


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