Ersthelfer bei der Jagd

Ersthelfer bei der Jagd

Nun ja... sage ich, es wird recht ordentlich anfangen zu bluten, aber der Knochen ist nach meinem Erachten heil geblieben…. Bin aber kein Arzt, sondern nur eine VMTA (Veterinär-medizinisch- technische Assistentin)! Antwort vom Notarzt: „Ok. Dann machen wir das!“ Recht hatten sie: Wir mussten ja irgendwann weg hier. Wir bildeten eine Schützentraube um den Verletzten und die Helfer inkl. Arzt und langsam ging es los.

Dann! Wieder Sauen! In unsere Richtung! Alle waren sich bewusst: es ist ein weiterer kranker Keiler im Treiben! Der Arzt und die Sanitäter wurden sofort leichenblass. Alle Schützen im Anschlag. Ruhe! Alle ruhig sein! Alle horchen! Keiner atmet! Da! Vor uns bricht eine grobe Sau nach links weg, die kleinere nach rechts.

Weiter geht's. Kommentar von einem der Sanitäter: „Das ist ja wie an der Front hier!“ Antwort von einem der Schützen: „Das IST die Front!“ Alle schwiegen. Langsam zogen wir weiter! Der Verletzte klagte zunehmend über Schmerzen, sodass wir eine Pause machen mussten. Er fragte nach Wasser und der Notarzt nickte dies ab. Somit wurde ihm etwas Wasser gereicht. Dann ging es weiter! Endlich das Quad in Sicht!!! Noch 20 m! Noch 3 Minuten….Dann ist es geschafft. Den Verletzten legten wir nun endlich auf der Ladefläche des Quads und sie fuhren zum Rettungswagen. Wir bleiben betreten zurück.

Stille. Sammeln. Alle waren etwas zu Fuß mit den Nerven. Ich gehe etwas beiseite und wische mir ein Tränchen weg: Die Anspannung fällt ab... Ab Richtung Streckenplatz. Alle sind recht ruhig.

Der Weg dahin ist lang. Es ist immer noch ein weiterer kranker Keiler hier irgendwo... Auf dem Rückweg gesucht. Wir waren alle soooo sauer. Hier und da auf den Busch geklopft- irgendwo musste er sein. Hier sprang ein Frischling, da ein Überläufer. Ich habe eines der beiden Kinder immer hinter mir gehalten, das andere ist mit dem Quad mitgefahren. Und wieder ist die Anspannung fast greifbar. Der nächste Busch, das nächstes Schwein sprangt heraus! Direkt auf mich zu! Ich brüllte den Teenager an: bleib hinter mir!!! Schob ihn hinter den Baum und ging in den Anschlag. Die Sau kommt immer näher. 5 m, 3 m. Der Treiber neben mir schrie: die ist gesund! 2 m, Finger will sich krümmen... Da drehte sie ab! So. Jetzt reicht es mir. Ich wollte nur noch zum Auto. Alle waren satt. Keiner mochte mehr. Wir stiefeln schweigend zum Auto. Auf dem Weg zum Streckenplatz angekommen kam dann der Anruf der Frau des Verbrannten von heute Mittag. Es wäre alles gut.

Dank hervorragender Erstversorgung konnten die Ärzte die verbrannten Schichten Haut gleich entfernen und der Freund würde zeitnah transplantiert werden können. Und auch die Klinikempfehlung und Einschätzung der Verbrennung waren richtig.

Am Streckenplatz angekommen berichtete uns der Jagdherr zu dem „ Keilertreiber“: Er sei bereits im OP. Später kam dann die Meldung: Erste OP wurde gut überstanden und morgen würde eine weitere folgen. Dann dachte ich einfach nur noch: Jetzt einen Schnaps für mich bitte! What a day!

Später bedankten sich die Jagdherren beim Streckelegen und dann vor allen Beteiligten bei mir als Ersthelfer. Gern wäre ich als Schütze benannt worden, in dieser Rolle war es mir etwas unangenehm… Jedoch etwas später wusste ich, dass es richtig war, auf die Erstversorgung vor Ort einzugehen. Es ging da weniger um mich als Drückjagdteilnehmer.Es sei wichtig, kompetente Ersthelfer dabei zu haben, das war die Kernaussage des Jagdherrn.

Mir wird klar: Recht haben sie! Jeder ist darauf bedacht, erste Hilfe Kurse für Hunde auf der Jagd zu machen. Aber nur wenige denken daran. ihr Wissen in Sachen Ersthelfer bei verletzen Menschen auf dem Laufenden zu halten... Ich möchte bitte sofort noch einen Schnaps! Ich muss nicht mehr fahren. Man muss auch abgeben können.

What a day

Es handelt sich hier nicht um eine Geschichte, das Geschehene hat sich genauso abgespielt. Warum habe ich es niedergeschrieben? Weil es als lebenswichtige Warnung an alle Drückjagdteilnehmer gelten soll! Jagdausrichter, Treiber, Hundeführer- also alle Beteiligten einer Drückjagd sollten sich selbst fragen: Bin ich in Sachen Erstversorgung fit? Kann ich nicht nur den geschlagenen Hund, sondern auch den Kameraden an der rechten Seite im Notfall richtig versorgen? Sind Rettungswege vorhanden? Gibt es einen Rettungsplan (der hoffentlich nie gebraucht wird)? Macht es vielleicht Sinn, immer mal wieder sein Wissen in Sachen Erstversorgung von Verletzten aufzufrischen... Ich denke: JA!


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