Ich konnte es mir kaum vorstellen, aber anscheinend war es unheimlich schwer, in dem auch farblich unruhigen, welligen Gelände mit seinem kniehohen Bewuchs Sikas auszumachen. Einerseits vermisste ich mein heimisches Wärmebildgerät, andererseits wäre es auch irgendwie ein Stilbruch gewesen, in dieser Landschaft mit modernster, bei uns zu Hause so hochbewährter Technik zu agieren. Jedenfalls sahen wir nichts und da der Abend nahte, versuchte David, das Tempo etwas anzuziehen, um noch oben auf das Plateau und die andere Bergseite zu schauen… es war unglaublich, wie sehr man sich verschätzen kann. So war ich zuvor der Meinung gewesen, einigermaßen jung und fit zu sein - tatsächlich bin ich aber offensichtlich alt und fett. Und dieses mörderische Ding da vor uns war kein "hill", diese Untertreibung war eine echte Frechheit, sondern es war - um im guten Ton der Iren zu bleiben- mindestens der "f….. Mount Everest" und die Eiger Nordwand in einem! Möglicherweise, aber auch nur ganz vielleicht, mochte meine Enttäuschung über die eigene "Fitness" diese Wahrnehmung etwas trüben, aber jedenfalls schwitzte ich wie ein türkisches Dampfbad und keuchte hinter David her, als sei ich von Kindesbeinen an rabenschwarzbelungter Kettenraucher. Marius gelang hierzu ein recht treffendes Foto, auf dem ich vor unserem "Everest" richtig Angst zu haben scheine… Der Abend blieb zwar ohne Anblick, aber immerhin: Ich überlebte ihn. Da auch die anderen zwar einen schönen ersten Ausflug, aber keinen wirklichen Erfolg hatten, sanken wir erschöpft in die weichen Hotelbetten und hofften auf den kommenden Morgen.
Der hatte gleich eine weitere irische Spezialität zu bieten: Nebel. Kaum einmal konnten wir zu Beginn auch nur ein Fußballfeld weit schauen, sodass ich meine gute, alte Pulsar jetzt wirklich herbeisehnte - denn prompt waren wir viel zu dicht auf ein kleines Rudel Kahlwild aufgelaufen, die uns sofort spitz hatten, als sich die Schwaden mal für ein paar Sekunden lichteten. Verdammt! Wir konnten nichts weiter tun, als auf etwas mehr Kraft der Sonne zu warten, die sich im Osten allmählich durchsetzen konnte. Das Rudel war nicht wirklich schnell und panisch geflüchtet, aber auch nicht zu entdecken. In irgendeiner Rinne mussten sie liegen, aber wo? Wir spekulierten uns die Augen aus dem Kopf, pirschten weiter, spekulierten wieder - da! Schräg hinter uns tauchte das 8-köpfige Rudel aus einem Graben auf und gab jetzt sofort Hackengas. 200 m, 250, 300, 400, 700 - weit entfernt beruhigten sie sich allmählich und gaben uns die Hoffnung, vielleicht sogar eine Pause einzulegen oder zu äsen. Aber was war das? Noch während wir beratschlagten, wie ihnen wohl der Weg abzuschneiden sei, bekam der einzige Spießer im Rudel wohl eine aufmüpfige Phase, rebellierte im jugendlichen Leichtsinn gegen die weisen Ratschläge des Leittiers, drehte sich um und sprang uns fast direkt entgegen. Wir sackten noch mehr in unserer Heidekrautstellung zusammen, das war ja ein kooperatives Kerlchen!