Wieder ein Reh, ein einzelnes… Bockkitz, richtig. Amüsiert schaute ich dem kleinen Grauhhaar fast senkrecht auf seine Knöpfchen. Er stromerte um mich herum, während ein Sibirier ihn lupenrein und präzise mit wundervollem Laut ausarbeitet - ach, könnt´ es Herbst im ganzen Jahre bleiben! Plötzlich lautes Knacken und Getrappel vor mir – drei Hirsche! Der erste ein sicherer „Don´t shooter“, der zweite auch nicht frei, der dritte… als Spießer vermutlich leicht zu hoch, außerdem glaubte ich, einen Hochgabler angesprochen zu haben – das war nichts für mich, bei Geweihten schaue ich lieber drei Mal zu viel als einmal falsch. Karl, mei Trobbe, was e Uffreschung!
Irgendwann ging es merklich dem Ende zu, die Schüsse verebbten zusehends. Ich stand zwar immer noch auf dem Sitzbrett, aber außer drei munteren Totverbellern, die sich ausgiebig um die erlegten Sauen kümmerten, hatte ich erst einmal nichts mehr zu schauen. Außer… diesem einen Reh, dass sich nach deren Abzug wie so oft durch die Rauschen drückte. Ich drehte das Glas voll hoch – das Haupt war ziemlich sicher weiblich. Aber lieber vertue ich die Chance, als nicht auch noch den Spiegel gesehen zu haben -Schürze! Dreh´ Dich! Nach einer halben Ewigkeit tat es mir den Gefallen und macht einen kleinen, falschen Schritt – auf rund 80m nicht wirklich ein schwerer Schuß. Heute hat sich das Aufstehen aber gelohnt, das war kurz vor Toreschluss! Immer wieder schaue ich jetzt auf die Uhr, ich will zum Wild, der Sekundenzeiger kriecht vor sich hin. Viertel vor, zehn vor, sieben vor, fü… Halt! Wer bist Du denn? Zwei große Teller pflügten wie eine Haifischflosse durch das Buchenbraun, dahinter einiges an Bewegung. Oha, jetzt musste es aber schnell gehen! 5-6 Frischlinge, vermutlich ein Überläuferkeiler, von einer erfahrenen Bache umsichtig geführt. Verhoffen. 10 Schritt. Verhoffen, Richtungswechsel. Verhoffen. Himmelherrgott, nur die Rückenlinie der Steuerfrau war zu sehen! Wieder 10m, wieder verhoffen – und dann überschlug sich alles: endlich erahnte ich einen Frischling. Im Schuss explodierte die Rotte und ging zurück, das Keilerchen sprintete an mit vorbei -erster drauf? Weiter! Kurz vor der nächsten dichten Stelle der zweite, wo kommt er wieder raus? Da! Der dritte könnte passen, die Sau hat zwar nicht gezeichnet, aber der Wurf ist weit offen, jetzt der vierte auf dem Wiesenstück - leer! Mist! Ich hämmerte das mir extra ergaunerte Ersatzmagazin rein – zu spät! Kruzefix! Aber keine Zeit zu ärgern, auf der anderen Seite hatte ein Frischling den Anschluss verpasst – der lag aber jetzt! Ich atmete tief durch, dann hörte ich rechts das Keilerchen verschlegeln und es war exakt 1 Minute vor Jagdende! Was für ein Tag!
Ich konnte jedenfalls direkt zusammenpacken und eilte hinüber zu David. Auch er war fix und alle, hatte er doch immerhin 5 Sauen und 3 Füchse beschossen, wovon jeweils ein Stück noch abgängig war, der Rest lag rund herum um diesen wirklich hervorragend platzierten Stand. Zusammen mit dem Ansteller gingen wir der Schweißfährte nach, diese Sau konnte nicht weit sein -da! Direkt vor uns stand sie schwerfällig aus dem Wundbett auf und zog langsam von uns weg. Schnell ein paar Dinge organisiert, nach den uns begleitenden Westfalen geschaut -dort sitzt sie wieder, David -Sau tot, vorbei! Von wegen vorbei: Auch wenn wir den Fuchs nicht fanden, mussten wir doch 7 Stücke aufbrechen und etwa 250m zum nächsten Weg ziehen. Zum Glück hatte ich noch meine Thermo-Sachen an… Als sich alle Beteiligten schwer erschöpft in den Bus fallen lassen wollten, grinste ich sie nur kurz an: „Wir müssen wieder hoch – 100m weiter links liegen noch mal 6 Sauen. Ach so, und n Reh -sorry.“ Ungläubig stapfte mir die ganze Mannschaft hinterher, half aber dann eifrig beim Aufbrechen und Bergen. Außer dem Kameramann, der wohl noch keine Jagd begleitet hatte und etwas grün im Gesicht war... Am Sammelplatz großes Hallo, die Buschtrommeln hatten einiges vorangekündigt. Viele waren erfolgreich gewesen, alle grinsten und flachsten munter vor sich hin. Am Abend wurden im Schlosshof sehr stimmungsvoll bei Fackelschein und Hörnerklang 8 Stück Rotwild, 42 Sauen, 9 Rehe, 8 Füchse und 2 Waschbären zur Strecke gelegt, Holla die Waldfee! Peter Carr hatte einen körperlich unauffälligen, aber beachtliches Elfenbein zeigenden Keiler erlegt, der dänische Jagdkönig unter anderem einen Rotspießer. Beim gemeinsamen Abendessen hielt er eine sehr amüsante Rede – wir waren satt und zufrieden, so konnte es morgen weitergehen!