Es ist noch ziemlich dunkel, als ich aus meinem Auto steige. Ich pirsche langsam und sehr vorsichtig, regelmäßig kontrolliere ich den Wald mit meinem Fernglas. Doch es ist noch zu dunkel, also verlasse ich mich eher auf mein Gehör. Schon bin ich an dem Platz, an dem ich meistens erst einmal abwarte, hinter einer großen Fichte. Langsam wird es heller, die Vögel beginnen, ihr tägliches wunderschönes Konzert zu singen, die Akustik ist wie in einer Kathedrale – in der Kathedrale der Natur. Komisch ist nur, dass ich bisher noch keine Sauen gehört oder gesehen habe! Das wundert mich, es ist Mitte Mai – seit zirka Mitte März war ich hier jedes Wochenende, meistens zweimal, am Samstag und Sonntag, und jedes Mal, ich wiederhole: jedes Mal hatte ich sie in Anblick bekommen, aber nicht immer bin ich zu Schuss gekommen. Egal, schon der Anblick der schwarzen Ritter bei Tageslicht ist manchmal mehr als Waidmannsheil.

Ich will schon packen, als ich vor mir einen Ast brechen höre. Ich kontrolliere die Richtung mit meinem Fernglas. Na also, da ziehen sie! Fünf Überläufer kommen langsam zu mir, ab und zu halten sie an und brechen im Waldboden, um saftige Würmer zu suchen. Schon liegt meine Büchse im Dreibein, ich suche nur noch das passende Stück in der passenden Position. Jetzt dreht sich ein Stück mehr zur Seite und mein Zeigefinder berührt den Abzug meiner M03. Der Überläufer bricht zusammen und bleibt im Feuer liegen, die restlichen Stücke verschwinden schnell in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Uff… Jetzt kommt das Jagdfieber auf! So ein Morgen, gekrönt mit einem Waidmannsheil! Es lohnt sich immer, in der Früh aufzustehen! Jetzt kommt meine Kamera an die Reihe, das ist bei mir auch schon ein Muss.

Damit habe ich in diesem Jahr schon das sechste Stück bei der Morgenpirsch erlegt, es ist wirklich unvergesslich, was die Saison in diesem Jahr bringt. Aber was erlebe ich noch mit Böcken? Das weiß wahrscheinlich nur St. Hubertus.

Eine weitere Arbeitswoche ist vorbei und ich schmiede meine Jagdpläne für das neue Wochenende. Am Freitagabend sitze ich an einer großen Wiese, über die immer wieder einige Böcke ziehen. Doch diesmal habe ich keine in Anblick bekommen. In der Früh werde ich es in einer anderen Ecke unseres Revieres probieren. An einem kleinen Teich ist auf einer Seite ein Kleefeld, auf der anderen Wiese und wieder ein Feld mit Klee – das könnte attraktiv für Rehe sein. Eine kleine Leiter steht im Schilf des Teiches. Links ist noch eine Remise, aus der oft das Rehwild zum Kleefeld auszieht. Ich bin spät dran heute und es ist schon hell, als ich es mir auf der Leiter bequem mache. Zum Glück steht noch kein Wild in der Wiese oder auf dem Feld. Langsam kommt die Sonne hoch, es wird wärmer und zirka 100 m links von mir ziehen 10 Stück Damwild auf den Klee. Ich greife zu meinem Fernglas, um die Stücke anzuschauen. Doch auf einmal sehe ich, dass ein Stück Reh zwischen mir und dem Damwild zieht - ein Abschussjährling! Ist sowas möglich? Ich hatte in diesem Jahr schon mehrmals hier angesessen, doch nie habe ich dieses Stück in Anblick bekommen. Schon habe ich den Bock im Zielfernrohr. Ich muss schnell sein, weil er weg von mir zieht, ich sehe nur seinen Spiegel.


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