Michael Gast: Thomas, alle reden über Digitalisierung. Kaum einer kann aber doch wirklich sagen, was das eigentlich ist?

Thomas Rödding: Stimmt, es existiert mittlerweile ein Urwald an Definitionen. Um aus den Hunderten von Beschreibungen ein klareres Bild von der Digitalisierung zu gewinnen, setzen wir mal zwei verschiedene Brillen auf:

Etwas digitalisieren meint aus Fachsicht, Informationen in eine bestimmte Datenform aus Zahlen (engl. Digit = Ziffer) zu verpacken, die ortsungebunden gespeichert werden. Diese Daten können wir verändern, kopieren, verschieben, löschen, als ob sie in einer Art Parallelwelt existierten.

In der „analogen Welt“ mussten wir z. B. noch einen Bauplan händisch kopieren.

Informationen mussten also physisch vorliegen und waren ortsgebunden. Der Bauplan konnte auch zerstört, bspw. verbrannt werden, Dann war er weg. Wenn wir etwas digitalisieren, erreichen wir dagegen ein nahezu beliebiges Kopieren von Informationen und Speichern derselben Information an zahllosen Orten gleichzeitig.

Die zweite Brille ist aber viel spannender. Sie betrachtet die Digitalisierung aus ihrer Kraft heraus, Menschen und ihr Verhalten kolossal zu verändern. Digitalisierung ist fast gleichzusetzen mit einer veränderten Art und Weise, Dinge zu nutzen: So informieren wir uns über Smartphone-Apps, suchen in Online-Portalen, sprechen und schreiben mit zig Menschen gleichzeitig. Wir verlinken, verdrahten, vernetzen. Wir können zig mehr Informationen in einer schnelleren Zeit aufnehmen als früher. Ob dies uns immer gut bekommt, steht auf einem anderen Blatt.

Michael Gast: Wo ist denn die Digitalisierung heute nicht mehr wegzudenken?

Thomas Rodding: Ganz ehrlich? In eigentlich jedem Bereich, in dem Menschen aufeinandertreffen und Dinge zusammen gestalten und organisieren.

Jedes Unternehmen rüstet sich heute digital auf. Die Technik wächst dabei häufig schneller, als die Bildungsangebote nachkommen. Was zur abstrusen Situation führt, dass viele Unternehmen über digitale Systeme verfügen, mit denen Arbeitnehmer gar nicht so recht umzugehen wissen.

Aber auch in unseren privaten Räumen vernetzt und verdrahtet sich alles und jeder miteinander – ob Alexa mit unserer Einkaufsliste, unser Auto mit der Werkstatt oder bald unsere Waschmaschine mit Amazon, da das Waschmittel ausgeht.


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