Nach Ansicht des Amtsgerichts konnte Bastian auch den Entlastungsbeweis führen. Denn, Bastian war nicht der Vorwurf zu machen, dass er bei der Beaufsichtigung des Hundes nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe und dass der Schaden auch bei Anwendung noch weitreichender Sorgfaltsanforderungen – wie das Aufstellen von Warnschildern - nicht entstanden sein würde.
Dass Gericht führte insoweit aus:
„Würde man voraussetzen, dass der Beklagte vor der Nachsuche des Wildes durch Straßenposten oder Verkehrsschilder die Verkehrsteilnehmer im Bereich zwischen M und R hätte warnen müssen, wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls zu diesem Verkehrsunfall gekommen, wenn diese Maßnahmen durchgeführt worden wären. (…) Darüber hinaus hat die Zeugin berichtet, dass der Hund erst von rechts auf die Fahrbahn gerannt sei, ohne dass es zum Zusammenstoß zwischen Hund und Pkw gekommen sei. Erst am Mittelstreifen habe der Hund dann Gegenverkehr wahrgenommen, sich umgedreht und sei wieder Richtung Wald zurückgelaufen. Es kam somit nicht beim ersten Ansichtigwerden des Hundes zu diesem Unfall, sondern erst nachdem der Hund zum zweiten Mal die Fahrbahnseite der Klägerin passiert hatte. Mit einem solchen Verhalten hätte auch ein gewarnter Verkehrsteilnehmer nicht rechnen müssen. Nach Angaben der Klägerin wurde die Vollbremsung sofort eingeleitet als der Hund von rechts aus dem Wald kam. Die Klägerin muss noch weit genug von dem Hund weg gewesen sein, um einen Zusammenprall zu vermeiden. Auch bei ausreichender vorherigen Warnung hätte die Klägerin den Hund angefahren, weil er erst auf dem Rückweg unter den Wagen gekommen ist. Das Gericht kommt somit zu dem Ergebnis, dass das Aufstellen von Warnschildern oder warnenden Personen auf der Bundesstraße 216 innerhalb eines zumutbaren Bereichs den Schaden nicht verhindert hätte. (…)“
Nach Auffassung des Amtsgerichts habe Bastian zudem auch den Entlastungsbeweis führen können, dass er bei Beaufsichtigung seines Hundes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe, soweit der Hund unangeleint überhaupt auf die Straße gelangen konnte.
Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:
„(…) In Anlehnung an die Entscheidung des OLG Bamberg vom 20. Feb. 1990 (NJW RR 1990, 735) sind zwar strenge Anforderungen an diesen Entlastungsbeweis zu stellen, weil § 28 StVO grundsätzlich bestimmt, dass der Hundeführer ausreichend auf den Hund einwirken können muss. Vorliegend kommt das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass trotz der Tatsache, dass der Beklagte jede Kontrolle und Einwirkungsmöglichkeit auf seine Bracke verloren hatte, dem Beklagten dennoch kein Vorwurf zu machen ist, dass er den Hund abgeschnallt hat. Denn nach der Beweisaufnahme steht fest, dass dieses Abschnallen etwa 2 Kilometer von der kürzesten Entfernung Luftlinie zur B 216 erfolgt ist. (…) Die Zeugen (…) wussten noch, an welcher Stelle das Reh angeschossen worden ist. Der Zeuge R (…), hat auch noch gewusst, in welchem Bereich der Hund abgeschnallt worden ist. (…) Der Zeuge R hat bekundet, dass an der Stelle des Abschnallens ein starkes Tropffeld vorgefunden worden sei, an dem der Hund erheblich angeschlagen habe. Aus diesen Gründen sei er dann von dem Beklagten losgeschnallt worden, ohne dass der Zeuge oder der Beklagte Sichtkontakt zu dem Wild gehabt hätten. Dieses Verhalten hat der Sachverständige D jagdlich für richtig gehalten. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass immer an einem frischen Tropfbett der Schweißhund von der Leine gelassen werden müsse. Dieses Tropfbett hätte den Schluss nahegelegt, dass das krankgeschossene Wild kurz vorher an dieser Stelle gelegen habe und die Stelle noch nicht lang verlassen worden sei. Das Tier habe nach dem Laufschuss 800 bis 1000 m zu dieser Stelle des Tropffeldes benötigt und das Blut sei noch frisch gewesen mit der Folge, dass das Tier in der Nähe habe sein müssen. Es sei daher davon auszugehen gewesen, dass das Wild so stark angeschossen gewesen sei, dass jeder Schweißhundeführer davon ausgehen musste, dass der Hund in kürzester Entfernung das Wild stellen werde. (…) Nach seiner Auffassung hat der Beklagte sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeführt. Es sei wenig denkbar gewesen, dass das Reh, das kopflos flüchte, wenn es stärker angeschossen sei, den direkten Weg bis zur Bundesstraße laufen und bis zu dieser Stelle nicht gestellt sein wird. Nach Angaben des Sachverständigen war somit nicht voraussehbar, dass das Reh noch so weit laufen wird, dass der Beklagte jeglichen Kontakt zu seinem Hund und damit jegliche Kontrolle über ihn verliere. Das OLG Bamberg ist in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1990 zwar zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Hund, der in rund 800 m Entfernung von der Kreisstraße abgeschnallt werde, nicht mehr ordnungsgemäß beaufsichtigt würde und grundsätzlich die Gefahr bestünde, dass er auf die Straße gelangen könne, vorliegend musste der Hund jedoch mindestens 2 Kilometer in direkter Luftlinie überbrücken, um in den Bereich der Bundesstraße zu kommen. Eine solche Entfernung dürfte grundsätzlich ausreichen, um darauf zu vertrauen, dass die Nachsuche sich nicht bis in den Bereich der Bundesstraße ausdehnen werde. (…) lagen die größeren Straßen alle in ausreichender Entfernung zum Tropffeld, so dass ein fahrlässiges Verhalten des Beklagten nicht erkennbar ist.
Und weiter:
„(…) handelt es sich um das größte zusammenhängende Waldgebiet Norddeutschlands. Wenn es in diesem Bereich fahrlässig sein sollte, einen Hund in 2 Kilometer Entfernung zu größeren Straßen abzuschnallen, dürfte es bei der heutigen Straßenlage in Deutschland überhaupt nicht mehr möglich sein, eine Nachsuche durchzuführen, ohne den Straßenverkehr zu gefährden. Daher hält es das Gericht für sachgerecht, bei einer Entfernung von mindestens 2 Kilometern die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt zu bejahen.
Dabei stellt das Amtsgericht im Rahmen seiner Entscheidung – zutreffend – klar:
„(…) Der Gesetzgeber habe mit der Schaffung der Vorschrift des § 833 Satz 2 BGB ausdrücklich den berufsmäßigen Tierhalter für schutzwürdig angesehen und in Kauf genommen, dass bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Geschädigte seinen Schaden selbst tragen muss, auch wenn er darauf keinen Einfluss hatte und ihm selbst kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen ist. (…)“
Für rechtliche Fragen zu diesen oder anderen Themen steht Ihnen die Kanzlei von Frau Pappert jederzeit zur Verfügung. www.advohelp.de