Im Revier angekommen packte ich meine Sachen und ließ meine Hündin Krümel im Auto zurück. Die Tage zuvor hatte Sie mich immer begleitet, aber heute war ich zu spät und der Hochsitz zu hoch. Sie liegt immer oben bei mir auf der Kanzel. Ihr Blick war absolut verständnislos.

Ein Blick aufs Handy gab keine weiteren Erkenntnisse ob der Freund nun unterwegs ist oder nicht. Ich pirschte zur Kanzel. Erst leise im Gras am Wegesrand und dann die letzten 30 Meter auf einem recht nassen Rückeweg, auf dem man absolut lautlos vorankam. Oben angekommen, richtete ich mich ein und laserte die Entfernungen auf den schier endlos wirkenden Schneisen aus. Die eine passabel mit 150 m Schussfeld. Die Zweite, die gesäumt war von der Lärchendickung, war bis zum Ende gute 300 m lang. Der Blick auf das Handy sagte nichts und noch dazu kein Empfang. Mein Handy war noch nicht richtig in der Jacke, da hörte ich links hinter mir einen Hirsch melden. Ich erschrak fürchterlich und der Puls ging schlagartig hoch. Mein erster Gedanke war, wie ärgerlich, der kommt genau aus der Richtung wo der Wind hingeht. Ich verfluchte den Wind und war mir sicher, das geht nicht gut. Die vielleicht noch einzige Chance und dann sowas. Der Hirsch meldete wieder und plötzlich stand auf der langen Schneise ein einzelnes Stück Kahlwild. Für mich war alles klar, der Hirsch möchte genau zu der Dame und gleich zieht er in den Wind und das war es. Der Hirsch meldete wieder, wieder die gleiche Serie wie eben. Da fing mein Hirn an zu arbeiten. Ich hatte die Serie schon mal gehört, auf dem Hochsitz an der Wiese, das ist der Jagdfreund! Ein Grinsen überflog mein Gesicht. Mein Blick ging zum Schmaltier, gleichzeitig zog ich das Handy aus der Jacke, zwei Balken, das muss zum Telefonieren reichen. Aber was war das? Am linken Rand der Schneise erschienen die Stangen und das Haupt eines Hirsches. Jetzt schlug in mir alles Pirouetten, der Puls war bis in die letzte Ecke meines Körpers zu spüren und das Jagdfieber packte mich. Aber wie soll das funktionieren, auf den letzten Metern ist der Pirschweg ohne Deckung zur Schneise hin. Das Rotwild wird ihn mitbekommen! Ich muss telefonieren. Nicht der beste Plan, wenn Rotwild auf 200 m steht und frontal zur Kanzel äugt.

Es klingelte, mein Freund ging ran. „Er“ war der Hirsch, den ich hörte und kurz vor dem Rückeweg, also den letzten 30 m zur Kanzel. Ich versuchte verständlich kurz klar zu machen, dass ich einen Hirsch vor hatte, mit einem Stück Kahlwild und ich mir sicher war, dass der Hirsch alt genug ist. Und beide genau zur Kanzel äugten. Die Frage, ob es der gesuchte Hirsch ist und wie viel Enden, verpufften in meinem Kopf. Keine Chance aus mir eine brauchbare Antwort zu bekommen. Das Jagdfieber hatte mich völlig im Griff. Der Hirsch muss ein Einsehen mit mir und der Situation gehabt haben und trieb das Stück Kahlwild noch mal in den Bestand. Der vermeintlich von hinten anwechselnde Hirsch war bereits in Sichtweite, ich gab per Handy Entwarnung das die Bühne leer sei. Ich richtete mich mit der Waffe ein, so dass ich eine absolut sichere Auflage hatte. Ich hörte hinter mir die Leiter leise knarren. Gott sei Dank, er hatte es geschafft. Das der Freund die letzten 30 m bäuchlings durch den Schlamm gekrochen war, um nicht eräugt zu werden, bekam ich leider nicht mit.


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