Holger lässt u.a. intervenieren und vortragen, dass § 27 Abs. 4 NJagdG voraussetze, dass der Schütze das krankgeschossene Wild zur Strecke gebracht habe. Da das Wildschwein, als es bei der Nachsuche aufgefunden wurde, aber schon tot war, lägen die Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 NJagdG bereits nicht vor. Holger erwartet aufgeregt das Urteil des Amtsgericht Bremen. Nicht, dass es ihm dabei vordergründig auf die Bezahlung des Wertersatzes ankäme. Nein, ihn interessiert vor allem die rechtliche Klärung der Frage, wem eigentlich das nachgesuchte Wildschwein, dass in seinem Revier beschossen, und in Mirkos Revier zum Erliegen gekommen ist, ohne Wildfolgevereinbarung zusteht.
Das zuständige Amtsgericht Bremen, Urteil v. 30.09.2010, Az. 16 C 91/10, wies die Klage zu Ungunsten von Holger ab. Zur Begründung führte es aus: Holger stehe ein Anspruch auf Wertersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht zu, da die Herausgabe des Wildschweines an Mirko nicht rechtsgrundlos erfolgt sei. Vielmehr war Mirko nach § 1 Abs. BJAGDG § 1 Absatz 1 S. 1 und Abs. 5 BJagdG zur Aneignung berechtigt gewesen.
Das Amtsgericht Bremen führte insoweit aus:
(…) ist das Jagdrecht die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen (Wild), zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen (§ 1 Abs. § 1 Absatz 1 S. 1 BJagdG). Das Recht zur Aneignung von Wild umfasst auch die ausschließliche Befugnis, krankes oder verendetes Wild, Fallwild und Abwurfstangen sowie die Eier von Federwild sich anzueignen (§ 1 Abs. BJAGDG § 1 Absatz 5 BJagdG). (…)“
Diese Voraussetzungen seien nach Ansicht des Gerichts zweifelsohne erfüllt worden, weil Mirko der Jagdrechtsinhaber des Folgereviers, auf dem das Wildschwein verendet ist, war.
Etwas Anderes ergäbe sich auch nicht aus § 27 Abs. 4 NJagdG.
Nach dieser Vorschrift stehen das Wildbret und die Trophäen abweichend von § 1 Abs. BJagdG § 1 Absatz 1 und § 1 Absatz 5 des BJagdG dem Jagdausübungsberechtigten des Jagdbezirks zu, in dem das Wild krankgeschossen worden ist, wenn krankgeschossenes Wild im Nachbarbezirk zur Strecke kommt, es sei denn, die Nachsuche wurde endgültig aufgegeben.
„(…) Die Auslegung des § 27 Absatz 4 NJagdG ist umstritten. Bei dem Streit geht es insbesondere um die Bedeutung der Formulierung „Kommt krankgeschossenes Wild im Nachbarbezirk zur Strecke, (...)“. Diese Formulierung lässt offen, auf welche Weise das Wild zur Strecke kommt. Gleichwohl wird darunter zum Teil ein aktives „zur Strecke bringen“ durch einen im Rahmen der Nachsuche erforderlichen Fangschuss verstanden (…)“ Dieser Auslegung ist das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung (…) entgegengetreten. Es wird die Rechtsauffassung mitgeteilt, dass „zur Strecke kommen“ im Sinne des § 27 Absatz 4 NJagdG nicht bedeute, dass noch ein Fangschuss abgegeben werden müsse. (…)“
Nach der hier vertretenen Auffassung erfordert ein Anspruch aus § 27 Absatz 4 S. 1 NJagdG zumindest, dass neben dem zur Strecke kommen des Wildes die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 S. 1 für eine sofortige Nachsuche erfüllt sind, wobei es aber nicht darauf ankommt, ob ein Fangschuss im Einzelfall durchgeführt wird oder nicht.
Den Schlussfolgerungen lägen folgende Erwägungen zugrunde:
Der Zweck der Wildfolge dient vorwiegend dem Tierschutz.
„(…) Auf dem eigenen Revier ist der Jagdausübungsberechtigte nicht nur zur Nachsuche berechtigt, sondern auch verpflichtet. Nachsuche ist das gezielte Verfolgen kranken oder krankgeschossenen Wildes. Die Nachsuche endet aber an der Grenze des eigenen Jagdreviers. Eine weitere Verfolgung des Wildes stellt eine strafbare Jagdwilderei dar. Um aber dem Tierschutz Rechnung zu tragen, hat der Bundesgesetzgeber in § BJAGDG § 22 a BJagdG den Landesgesetzgebern aufgegeben, nähere Regelungen zur Wildfolge zu treffen. (Marcus Schuck, Bundesjagdgesetz, 2010, § 22 a, Rn. 9). (…)“