Für manche ist ein Wärmebildgerät ein noch völlig unbekanntes Wesen, für andere das langersehnte Nonplusultra. Für mich selbst, der ja nun auch schon das ein oder andere Jährchen jagdlich unterwegs ist, sind diese Geräte einfach immer wieder das Tor zu einer neuen Welt und gefühlt so ziemlich die größte jagdliche Revolution seit der Erfindung des Schwarzpulvers. Ihre Vielseitigkeit ist ebenso enorm wie unbekannt und unterschätzt, werden sie doch häufig völlig zu Unrecht auf die Nachtjagd beschränkt.
Natürlich liegt dort für die meisten ihr Hauptanwendungsbereich: da die Technik nun mal einzig und allein Temperaturunterschiede optisch darstellt, damit also völlig unabhängig von jeglichen Lichtverhältnissen arbeitet, kann sie selbst in dunkelster Nacht, durch Nebel, im Waldschatten und teilweise auch durch Bewuchs Naturerlebnisse bescheren, die man sonst so niemals erleben würde. Und ich sage bewusst Natur-, nicht nur Jagderlebnisse, denn man erlebt und lernt durch ein Wärmebildgerät einfach alles neu, vom Flugverhalten einer Motte über die Fraßgewohnheiten von Mäusen bis hin zu den Jagdtaktiken einer Eule. Jeder Ansitz, jede Pirsch wird um ein Vielfaches unterhaltsamer – und lehrreicher, da man auch Verhaltensweisen genau studieren kann, man sonst niemals im Leben mitbekommen hätte.
Auf teilweise irre Entfernungen und durch kleinste Bewuchslücken hindurch entdecke und sehe ich auf einmal ALLES, was da kreucht, fleucht oder sitzt und verhofft. Anwechselndes Wild erkenne ich oft schon weit im Bestand.
Interessant für den Jäger sind natürlich hauptsächlich die jagdlichen Anwendungsbereiche, aber auch diese sind extrem vielfältig und eben gerade nicht auf die Nachtjagd beschränkt. Die große Stärke der Geräte liegt in der Wildentdeckung und -beobachtung unter –für normale Optik- schwierigsten oder schlicht unmöglichen Bedingungen, vorausgesetzt, man hat direkten Sichtkontakt auf auch nur ein streichholzschachtelgroßes Stück einer Wärmequelle, meist eben eines Wildkörpers:
je nach Modell ist es selbst in stockdunkler Nacht kein Problem, Wild auf deutlich über einen Kilometer zu entdecken. Kleinste Sichfenster lassen beispielsweise Sauen im Getreide, Rotwild im Bestand oder Rehe in einer hohen Wiese sofort und deutlich ins Auge springen. So können bei schon kleinsten Lücken Frischlinge erahnt oder ob der frühen Vorwarnung Pirschen weit erfolgreicher gestaltet werden. Und das, wichtiger Vorteil gegenüber einem Nachtsichtgerät, ohne jedes Problem eben auch tagsüber. Oft entdeckt man bei vollstem Sonnenschein Wild, das man mit konventioneller Optik trotz intensiver Suche zuvor übersehen hat. Meist –aber selbst dann nicht immer!- erfasst man das Stück dann auch durch das eigene Glas oder Zielfernrohr, da man dann ja nun mal weiß, wo man zu suchen hat.
Das Abglasen großer Flächen gestaltet sich weit einfacher, entspannter und unglaublich schnell, da man sich nicht mehr auf das Entziffern von verschiedenen Grautönen versteifen muss: jeder Wildkörper knallt sofort aufs Auge. Der Nachteil: Es gibt eigentlich immer irgendetwas zu beobachten, das Einschlafen auf dem Sitz entfällt quasi vollständig.
Beschossene Stücke können viel schneller wieder erfasst, deren Fluchtweg und –verhalten um ein Vielfaches besser verfolgt werden. Eine große Hilfe für jeden Nachsuchenführer: ich erinnere mich an einen bei schlechtem Licht beschossenen Keiler im ungarischen Donaudelta. Der deutliche Kugelschlag verkündete den Treffer, die Flucht über die weiten Maisstoppeln aber wäre konventionell niemals im Leben zu erkennen gewesen. In der großen, eintönigen Fläche und bei der Masse der Fährten war der Anschuss oder die Fluchtrichtung mangels sichtbarem Schweiß nicht zu finden. So aber konnte ich nicht nur den genauen Fluchtweg des Keilers, sondern auch noch sein schweres Ziehen, das Schlenkern der rechten Keule und den deutlichen Schweißfleck auf der letzten Rippe exakt und letztlich zutreffend beschreiben. Natürlich kann ein „Thermovisor“ einen firmen Schweißhund in einer solchen Situation nicht ersetzen, aber er liefert eben sehr oft äußert hilfreiche Informationen für dessen Führer.
Erlegte Stücke können, so denn auch nur der kleinste direkte Sichtkontakt besteht, auf große Entfernungen gefunden werden.
Für Hundeführer ergeben sich völlig neue Möglichkeiten beim Angehen von Standlaut, denn in vielen Situationen kann das gestellte Stück weit frühzeitiger entdeckt werden. Weiß man erst einmal, wo das Auge suchen muss, kann sich so vielleicht eine ungewisse, risikoreiche Hetze oder gar ein folgenschwerer Angriff durch einen sonst nicht erfolgten, frühzeitigen Fangschuss vermeiden lassen. Eine entsprechende Vergleichsstatistik wird sich nie erstellen lassen, aber mich würde mal interessieren, wie viele Hunde hierdurch vor dem Straßen-, Schienen- oder Keilertod und vor Tierärzten bewahrt, wie viele erfolglose Hetzen hierdurch vermieden werden könnten!
Übrigens kann ein WBG nicht selten auch anzeigen, wie frisch der verlassene (Wund-)kessel ist.
Störungsarme Bestandzählungen, etwa für Hasen oder Rehe, sind kein Problem; zudem sind sie weit effektiver als Scheinwerfereinsätze.
Man sieht: ein WBG ist extrem multifunktionell und keinesfalls lediglich eine Alternative zu einem Nachtsichtgerät. NICHT wirklich geeignet ist es zum Ansprechen kalter Strukturen, etwa eines (verfegten!) Bockgehörns oder Hirschgeweihs. Zwar konnte ich im letzten Jahr in Brandenburg bei dunkelster Nacht auf 40m zwei Schaufler exakt ansprechen, das ist aber je nach Hintergrund- und Umgebungstemperatur ausdrücklich nicht die Regel. Wärme dagegen ist der Treibstoff der Geräte. So sind zum Beispiel die Milchleisten einer laktierenden Bache nicht nur unbeborstet, sondern eben auch stark durchblutet und daher je nach Gerät und Entfernung teilweise sehr deutlich erkennbar.
Wann immer jemand, der noch nie mit einem WBG zu tun hatte, eines meiner Vorführgeräte in die Hand bekommen oder er es auf einem Seminar live im Einsatz erlebt hat, war und ist er begeistert. Ich kenne ausdrücklich keinen, der eine entsprechende Anschaffung bereut hat. Die Investition von grob 2.000 bis 4.100 EUR also lohnt sich sicher, bleibt die Frage, welcher der verschiedenen Anbieter sich dabei empfehlen kann. Die bekanntesten Hersteller dürften Flir, Guide und Pulsar sein.
Der Stern aus dem Osten: Quantum Pulsar
In Litauen und Weißrussland sitzen die Produktionsstätten von Quantum Pulsar, mit denen ich bisher am meisten zu tun hatte – ich muss immer wieder betonen, dass ich ein rein praxisorientierter Tester bin und von Technik an sich eher überhaupt keine Ahnung habe. Für mich ist bereits die Bedienung eines Kaffeeautomaten eine mittelgroße Herausforderung.
Die Produktpalette von Pulsar als ersten Testkandidaten umfasst grundsätzlich drei noch aktive Linien (HD, XD und XQ) mit jeweils drei Objektivgrößen (19,38 und 50mm), seit diesem Jahr ergänzt durch ein für Auslandsjäger und seit Neuestem auch Bayern interessantes, vorsatztaugliches Exemplar, das CORE FXD-50.
Die Basis-Linien sind leicht und leise bedienbar, sitzen allesamt in einem handlichen, fast baugleichen Kunststoff-Gehäuse und wiegen etwa 320 bis 400 Gramm. Gefüttert werden sie von vier AA-Batterien oder, auch der Umwelt wegen, besser Akkus in einem leicht und schnell auswechselbaren Container, der für alle Linien ebenso wie für das digitale Nachtsichtgerät DN-55 bzw. DFA-75 benutzbar ist. Zudem gibt es zwei verschieden starke externe Akkus, die in etwa Mobiltelefongröße haben. Einsetzbar sind alle Geräte zwischen -20 und + 50 Grad Außentemperatur, je größer das Objektiv, desto höher sind Reichweite und Vergrößerung. Sie werden in einer Transporttasche mit zwei Batteriecontainern ausgeliefert und haben eine Garantiezeit von drei Jahren.
http://www.youtube.com/watch?v=KkGo59T4oAk
Mehrere Partien Wildschweine in Weizen durch eine Wärmebildkamera gefilmt
http://www.youtube.com/watch?v=4gfJfmtevNw
Rotte Wildschweine durch Wärmebildkamera gefilmt
HD – Technisch älteste Linie mit noch 30Hz-Bildwechselfrequenz, aber bereits sehr gut brauchbar. Wärmequellen werden wahlweise in schwarz oder weiß dargestellt. Die Reichweite des größten Vertreters, der HD50, wird werksseitig mit 1.250m angegeben, was durchaus realistisch ist. Ihre Grundvergrößerung ist 2,8x und lässt sich digital verdoppeln. Die UVP einer HD19 als Einsteigergerät liegt bei knapp 1.900,- EUR.
XD – bereits mit 50 Hz arbeitend, verfügt über sieben Farbmodi und eine stromsparende Display-Off-Funktion. Die 50er hat einen Grundzoom von 4,1, der auf 11,2 hoch gezogen werden kann, und eine Reichweite von rund 1.250m. Wie die HD-Linie auch fahren die Geräte in etwa 6 Sekunden hoch. Der eingebaute Entfernungsschätzer ist für mich unnütze Spielerei.
XQ – die neueste Linie mit den gleichen Gimmicks wie XD, aber stärkeren Sensoren, die in nur noch 2 Sekunden einsatzbereit sind und sich fast geräuschlos kalibrieren lassen. Der Zoom einer 50er geht bis zu 16,4x, ihre Reichweite beträgt rund 1.800m. Dieses derzeitige Pulsar-Flaggschiff liegt in der UVP bei 3.600 EUR.
Ich persönlich, aber das ist nur meine Meinung, habe die Pulsar-Geräte in bisher allen praktischen Vergleichstests mit anderen Marken als Gewinner angesehen, was die Bildstärke, die Reichweite und Bedienung angeht. Das Power-Management ist durch die superschnell zu wechselnden Container oder externen Akkus sehr gut und praxisorientiert gelöst – allerdings mit einem Makel: die Batteriecontainer sind eine Achillesverse, manchmal müssen die Kontakte neu gebogen oder zusammen gedrückt werden. Bestimmte Batteriefabrikate sind wegen kleinster Größentoleranzen manchmal überhaupt nicht nutzbar, was ärgerlich sein kann. Die Container können aber leicht und günstig nachbestellt werden, was ich immer noch sehr deutlich besser finde als zum Beispiel fest verbaute Akkus wie bei Flir.
Wer sich ein solches Gerät anschaffen möchte – und ich denke, darüber wollte wirklich fast jeder nachdenken!-, der muss sich dabei an neben dem eigenen Budget auch an seinen jagdlichen Möglichkeiten orientieren. Denn wer nur an Kirrungsschneisen und Waldwiesen jagt, dem wird eine 19er mit je nach Linie bis zu 680m Reichweite gute Dienste leisten; wer dagegen großflächig beobachten möchte, etwa weitreichende Stoppelflächen im Osten der Republik, zu dem passt eine 50er weit besser. Aber Vorsicht: das Sichtfeld wird bei steigender Objektivgröße und Reichweite deutlich kleiner, was für wirklich nahe Entfernungen und hektische Situationen störend sein kann.
Fest steht: Ich gehe nie mehr ohne mein Gerät aus dem Haus und gebe es auch nicht mehr her!