Es ist Frühling im Jahre 1991. Wie jedes Frühjahr verbringe ich ein paar Tage bei meinem Onkel im Böhmerwald. Im Januar und Februar habe ich den theoretischen Teil des Jagdscheinkurses absolviert, jetzt erwartet mich die Praxis, für die ich gerne eben meinen Onkel besuche. Bei ihm wurde ich mit fast allen Schalenwildarten gut vertraut, besonders Rot-, Muffel-, Schwarz- und Rehwild. Was für Erlebnisse! Meine erste Rothirschbrunft. Zum ersten Mal dabei zu sein, wenn ein Stück erlegt wurde. Später auch mein erstes selbst erlegtes Stück – all das geschah hier im Böhmerwald.

Dieses Mal aber sollte mich etwas ganz anderes erwarten. Was, das wusste ich vorher nicht. Der eigentliche Plan war wie immer zu dieser Jahreszeit – Abwurfstangen suchen, auf Sauen ansitzen und Reviereinrichtungen reparieren, zum Beispiel. Kurz nach meiner Ankunft eröffnete mir mein Onkel dann aber seinen: „Ich habe mit meinem Bekannten gesprochen, der auf dem Truppenübungsplatz als Forstmeister arbeitet. Wir sollen ihn am Wochenende besuchen. Ich weiß zufällig, wo dort die besten Balzplätze der restlichen Birkhähne sind… Falls wir Glück haben, sehen wir einige!“

Na, das war vielleicht eine Überraschung! Einen Birkhahn hatte ich in freier Wildbahn noch nie gesehen, nur wunderschöne Geschichten über die Jagd auf ihn gelesen. Und jetzt durfte ich sie vielleicht bei der Balz erleben? Das wäre ein unvergessliches Erlebnis! In unserem südböhmischen Revier, wo ich sonst jage, wurde der kleine Hahn noch bis Anfang der 70er Jahre bejagt - ein paar Jahre später waren sie dann für immer verschwunden.

Wir müssen früh aufstehen, denn die Fahrt dauert fast eine Stunde. Die Zeit vergeht aber aufgrund der Vorfreude schnell, schon steigen wir wieder aus dem Auto. Zum Glück scheint der Mond noch und wir können ohne Taschenlampe eine der Panzerstraßen entlang marschieren. Nach ungefähr einem halben Kilometer biegt mein Onkel nach rechts ab und wir betreten eine Wiese. Nicht weit vor uns stehen einige Birken, hinter denen wir uns verstecken. Von dort aus haben wir einen guten Blick auf die Wiese vor uns, aber eben auch gute Deckung. Es ist immer noch ziemlich dunkel, langsam erst fangen die ersten Vögel an zu singen und bringen so die Nachricht, dass ein neuer Tag beginnt.


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