Inzwischen wird er etwas ruhiger, denn irgendwann demnächst wird Edmund 100 (in Worten: Hundert) Jahre alt, aber noch heute seufzt er auf, wenn er uns eine Weile bei den kläglichen Versuchen beobachtet, einen geraden Nagel in einen Pfosten zu schlagen. Irgendwann verliert er dann die Geduld, nimmt uns mit „Menschenskinder, was machste denn?“ den Hammer aus der Hand – und versenkt den schon drei Mal gekrümmten Nagel mit gefühlten sieben Schlägen anstandslos und passend im Holz. Dann schaut er uns spitzbübisch an, brummelt „Mann, Mann, Mann, des kann sisch doch kaaner mit agugge!“ und lässt sich wieder auf seinen Rollator fallen. Dieser ist mittlerweile sein mobiler Kommandostand geworden, von dem er uns Fastunfähigen gezielte Anweisungen gibt, um wenigstens nicht alles schief und krumm werden zu lassen.
Seine Paradehochsitze baute Edmund damals in unserem schottischen Revier, dort war er für sein Leben gerne. Schon Wochen vorher fieberte er der Reise entgegen, plante mit Materialien, sammelte das wichtigste Werkzeug zusammen – und freute sich auf den ein oder anderen, heimlichen Schluck Whiskey mit seinem schottischen Pendant, dem höchstamüsanten Gamekeeper Thommy. Die beiden verstanden sich trotz leichter Sprachbarriere prächtig. Wenn Thommy in Richtung Hundefutterschuppen zwinkerte, verließen sie den Kaffeetisch unter brummelnden Vorwänden in verschiedene Richtungen, um kurz darauf einen deftigen Single-Malt unter alten Säcken hervorzukramen und sich zuzuprosten.
Edmund hat nie seinen Jagdschein gemacht, „Dadefir bin isch zu alt!“ gab er mindestens 30 Jahre lang an. Uns war das oft schon in Deutschland, vor allem aber in Schottland vollkommen egal – Edmund hatte mehr Jagdverstand als viele, die ich heutzutage auf Drückjagden treffe, und war hochpassioniert, ihn konnte man ruhigen Gewissens irgendwo hinsetzen und musste keine Angst vor Dummheiten haben – der Gesetzgeber kennt eben keine echten Originale! Gerade die sommerliche Rehbockjagd in Cardross, am Lake of Menteith, war ihm eine große Freude. Sitzen wir heute zusammen, erzählt er mit großen, strahlenden Augen vom Kleinkaliberbock mittags um 12 bei der Taubenjagd am „Bootshaus“, vom brunftigen Sechser, der „Unnerm Artschie“ (also unterhalb des Hauses unseres Lords, Sir Archibald) mit rollenden Lichtern 3m an ihm, der zwischen großen Eichenwurzeln am Boden saß, vorbei wollte, oder von seiner ersten Sau, die er mit der „Tututu“ (also der .222 meines Vaters) beim verschneiten Fuchsansitz erlegte. Mir ist ehrlich gesagt egal, ob jetzt irgendein Leser kopfschüttelnd „Wie kann man das nur zulassen!“ ausruft – unser Edmund hat diese Jagderlebnisse verdient, ich gönne sie ihm so von Herzen, wie sie immer in seinem bleiben werden, und ich würde sie ihm jederzeit wieder ermöglichen, basta!