Es kam, wie es kommen musste. Mein +1 auf den mittlerweile doch häufiger eintrudelnden Hochzeitseinladungen muss natürlich auch ein Jäger sein. Wem sonst könnte man als studierte Frau erklären, dass man das Wochenende unbedingt mit mehreren Tierkadavern am Ende der Welt verbringen muss, damit der Hund perfekt apportiert? Wie dem auch sei, wir jagen beide, führen beide einen Vorstehhund, mein Beagle hat, typisch Bracke, beschlossen, dem zu gehören, der öfter füttert. Schon da beginnt der Stress. Wer hat den besseren Hund? Neidlos muss ich auf den Prüfungen anerkennen: Er. Eindeutig. Der Weimaranerrüde ist echt stark. Dafür bringt meine Drahthaarhündin einfach den Pfeffer in die Jagd, kein Teich zu kalt, keine Ente zu weit, kein Schwein zu groß, Hauptsache Vollgas mittendrauf. Der Weimaraner ist da deutlich ruhiger, der ist so anständig erzogen, dass mir schier das Gesicht einschläft. Herrchen hört das nur ungern, gemeinsame bewaffnete Spaziergänge sind also liebevolle Streitgespräche über das Für und Wider unserer Hunde.

Man darf auch nie außer Acht lassen, dass man im ungünstigsten Fall nicht auf das gleiche Wild jagt. Dieses Jahr stand mir der Sinn überhaupt nicht nach Bergjagd, meine Kondition war zu lädiert, um es vorsichtig zu sagen, um nachts um drei viereinhalb Stunden in die Alpen hinaufzukraxeln. Ich war arbeiten. Er jagen. Dabei ist er nachts nicht gerade organisiert und ich war jede Nacht gut zwei Stunden mitbeschäftigt sämtliche Piselotten für die Jagd mitzupacken. Am Abend vorher wäre zu einfach gewesen, schließlich kommt so das gewisse „feeling“ besser rüber. Kleiner Sidekick hier: Die Hirschjagd wird immer generalstabsmäßig vorbereitet, bis auf die wichtigen Dinge, die man dann eben sucht. Besonders absonderlich finde ich den Brauch, dass er sich vor der Hirschjagd mit geruchsmilderndem Shampoo wäscht, um dann drei Stunden mit frisch gewaschenen Jagdklamotten schwitzend den Berg hochzuächzen - Männer. Aber eine Jägerin muss es aushalten, dass er sie nachts, schlussendlich übrigens erfolglos, zwei Stunden wachhält, sie muss es einfach aushalten und an süße, kleine Welpen auf einer grünen Wiese denken, während sie versucht wieder einzuschlafen.

Weitere Tücken im jagenden Alltag? Unser Revier liegt 350 km weit weg, also packen wir freitags die sieben bis 70 Sachen, um mit dem Wochenendverkehr die Autobahn lang zu schleichen. Typisch Frau: Ich nehme immer zu viel mit. Typisch Mann: Ihn regt das schaurig auf. Aber ich bin eben auch sonst schon mal ein typisches Mädchen, denn im Revier schlafen wir im Wald, kein Thema, bei minus acht Grad habe ich allerdings gestreikt. Da darf ich mir etwas anhören: „Frauen sind solche Weicheier“, beschwert sich mein geliebter Göttergatte. Ja, und ich gebe gern zu, dass ich es gemocht, nein, genossen habe in der Sauna zu liegen, während er sich den Hintern abgefroren hat. Auf den Jagderfolg bin ich natürlich schon etwas neidisch, zwei weitere Sauen füllen unsere, nach dem langen Drückjagdwinter ziemlich geleerte Tiefkühltruhe. Das war dringend nötig. Keine Sorge, lieber Leser, meinen Neid bemerkt er nicht eine Millisekunde, Selbstbeherrschung ist alles.

Es geht weiter: Wer schießt, wenn wir gemeinsam ansitzen? Das ist ein schier unlösbarer Punkt, entgegen der romantischen Vorstellung, dass wir gemeinsam Händchen haltend auf dem Ansitz sitzen, friert jeder so still vor sich hin. Wenn wir strategisch klug sitzen, geben wir uns noch Zeichen mit der Taschenlampe. Manchmal pirschen wir auch eine Nacht lang, dann darf mal er und mal ich das Gewehr mitnehmen, aber darüber führen wir mittlerweile Buch. Wir sind ansonsten überhaupt nicht jagdneidisch, er hat mich sogar schon auf einen braven Bock geführt, aber eine ganze Nacht dem anderen beim Sauen schießen zuzuschauen, das kommt nicht in Frage. Bei Sauen werden wir beide wirklich eigen... Auch sonst hat jeder so seine Besonderheiten, wie er es nun einmal haben will. Ich brauche mein Buch oder meinen eReader, das mag verpönt sein, aber wenn man zwölf Stunden sitzt, dann ist das einfach das Allerschönste, wenn man diese Zeit nutzen kann, um zu lesen. Jedenfalls für mich. Er hingegen findet das völlig daneben, sowas geht gar nicht. Zumal zwölf Stunden auf einem Fleck sitzen für ihn die Höchststrafe ist, für mich eine willkommene Entschleunigung des Alltages. Nach besonders schlimmen Wochen sitze ich sogar noch den ganzen Samstag irgendwo auf einem Känzele und bereite meinen Unterricht vor. Einfach so, still für mich. Er muss durchs Revier fegen und Sauen auslaufen und was man nicht alles so tut, ich genieße manchmal einfach die Stille.

Das Beste am gemeinsamen Jagen bleibt aber die Freude am Erfolg des Anderen, das ist etwas, was über die Zeit nie verloren gegangen ist. Er freut sich riesig, wenn ich Waidmannsheil hatte und ich kann, wenn er geschossen hat, auch nie auf die erlösende Nachricht warten, dass das Stück liegt. Im letzten Jagdjahr habe ich leider zwei Fehlschüsse mit anschließenden Kontrollsuchen gehabt, natürlich war er mit dem Weimaraner da und hat mir geholfen.

Auch wenn wir manchmal sehr unterschiedlich jagen, ich würde es trotzdem nie anders wollen, als einen jagenden Partner zu haben. Allen Unkenrufen zum Trotz fühle ich mich übrigens als Frau auf der Jagd überhaupt nicht diskriminiert in unsrem reinen Männerrevier. Viel mehr fühle ich mich super respektiert, wie alle habe ich meine Stärken und Schwächen und einen Partner, der mich stützt, wenn ich es brauche und dem ich helfen kann, wenn er eine helfende Hand braucht.

Jagende Paare, sind auch nichts anderes als Tennisdoppelpartner.


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