Wenn der Tierarzt nicht um die Ecke ist ... Erstversorgung der vierläufigen Jagdhelfer
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Wenn der Tierarzt nicht um die Ecke ist ... Erstversorgung der vierläufigen Jagdhelfer


Text: Katja Simon, www.kleintierpraxis-neuerweg.de
Bild: Joerg Planert, pixelio.de
Weitere Bilder: Ulrike Gürtler, Katja Simon

Tipps für Erste Hilfe und was sie immer dabei haben sollten

Egal welche Art von Notfall auftreten sollte. Versuchen Sie ruhig zu bleiben und das Vertrauen des Tieres zu bewahren oder herzustellen falls es sich um einen fremden Vierläufer z.B. bei der Jagdausübung handeln sollte. Es empfiehlt sich mit dem eigenen Hund bestimmte Untersuchungen oder auch das Anlegen eines Verbandes in ruhiger Atmosphäre für den Ernstfall zu trainieren. Der eigene Hund sollte regelmäßig bei Ihrem Tierarzt, besonders vor der anstrengenden Jagdsaison, untersucht werden, so dass Sie bestimmte Gefahrensituationen vermeiden können, beziehungsweise besser erkennen können.

Bestimmten Gefahren kann man vorbeugen. Zum Beispiel der Gefahr durch tiefe Stich-/Schlagverletzungen am Körper mit Hilfe einer Schutzweste, Unterzuckerung bei erhöhtem Energieverbrauch durch Verabreichung von Energieriegeln oder spezieller Zuckerlösungen vor, während und nach der Jagd. Für die anderen Fälle halten Sie Hilfsmittel für die wichtigsten Notfallbehandlungen und einen „Notfallplan“ bereit. Dieser beinhaltet zum Beispiel bei einer Drückjagd die Frage „Wen rufe ich an, wenn etwas passiert?“, „Kann ich meinen Hund alleine transportieren?“, „ Wer kann mir gegebenenfalls helfen? Hilfreich kann es sein wenn Sie in einer unbekannten Umgebung sind, sich den nächsten Tierarzt oder Tierklinik vorzumerken und sich Adresse und Telefonnummer zu speichern.

Eine Notfall-Apotheke für den Hund ähnelt in vielem der Notfall-Apotheke für uns Menschen. Je nach Bedarf empfiehlt es sich entsprechendes Erste-Hilfe Material als Erste-Hilfe Paket für den Hund vorbereitet im Haus zu haben und auch auf Reisen oder größeren Touren mitzuführen. Manche wichtigen Hilfsmittel und Präparate sind in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit gar nicht so schnell zu beschaffen.

1.Hilfe-Paket: Das muss rein

  • sterile Wundauflagen (leichtes Gaze) zur Abdeckung von Wunden
  • lange Mullbinden (leichtes Gaze) zum Umwickeln von Verletzungen
  • Gazetupfer zur Wundreinigung
  • Verbandswatte zur Polsterung
  • steril verpackte Papiertücher, Tempos, etc. (zum Polstern)
  • lange Binden zum äußeren Umwickeln von Verletzungen
  • Verbandspäckchen für einen Druckverband bei stark blutenden Wunden
  • Heftpflaster zur äußeren Fixierung des Verbands
  • Selbsthaftende (kohäsive) Binden / selbsthaftender Verband zur äußeren Fixierung des Verbands
  • Desinfektionsmittel (wie u.a. Octenisept), das Desinfektionsmittel sollte wegen der Keimfreiheit als Pumpspray angewendet werden
  • Kochsalzlösung zum Spülen, vor allem größerer und tieferer Wunden
  • desinfizierende Wundsalbe (Jod)
  • Aktivkohle, als Kohle-Tabletten, Pulver oder Kohle-Kompretten (u.a. bei Vergiftungen, starkem Durchfall)
  • Elektrolyt-Tabletten bei starkem Durchfall - als Zusatz für das Trinkwasser zum Ersatz des Mineralienverlustes
  • stabiler Holzstab zum Schienen bei einem Knochenbruch
  • hölzernes Lineal um in den Rachen sehen und evtl. einen Fremkörper beseitigen zu können
  • Holzspatel, Anwendung um z.B. eine Salbe gezielt aufzutragen oder um Fremdkörper aus dem Mundraum (z.B. ein Insekt oder Erbrochenes) zu entfernen
  • elektronisches Fieberthermometer mit flexibler Spitze
  • abgerundete Pinzette, um damit z.B. Stacheln und Dornen aus den Fußballen zu entfernen
  • Verbandschere
  • Einmalspritzen (ohne Metallspitze, zum Eingeben von Flüssigstoffen und auch Milliliter-genauem Dosieren von Futterzusätzen)
  • kleine Taschenlampe zur Kontrolle von Ohren, Augen, Pfoten und um Wunden zu untersuchen
  • Gummi- bzw. Latexhandschuhe
  • Hundeschuh (bei Pfotenverletzungen) oder zum behelfsmäßigen Abbinden bei lebensgefährlichen Blutungen an Gliedmaßen
  • selbstkühlende Sofort-Kälte-Kompressen (Cool Pack)
  • Maulschlinge(alternativ mit Mullbinde)
  • Thermofolie zum Schutz vor Auskühlung (sogenannte Rettungsdecke)

Eine gute Grundlage für einen Hunde-Erste-Hilfe-Kasten ist ein ausgedienter Erste-Hilfe Kasten aus dem Auto. Die Aufbewahrung der Hundeapotheke sollte separat in einer Tasche für unterwegs, einem Schrankfach zuhause oder einer Kunstoff-(Werkzeug)-Box im Auto erfolgen. Im Falle eines Falles sollten Sie vor Allem Ruhe bewahren und für die eigene Sicherheit sorgen!! Es ist angeraten Maulschlinge oder Maulkorb anzulegen wenn der Hund Abwehr zeigt. Im Zweifelsfall bei Schmerz und Panik wird dies auch der eigene Vierläufer tun. Schützen Sie sich selber!

Als eine Orientierung bei einem akuten Notfall gilt das sogenannte ABC-Schema.

–   Atemwege? → freihalten/freilegen
–   Belüftung/Beatmung → Mund-zu-Nase-Beatmung
–   Circulation = Kreislauf → Puls vorhanden? Blutungen vorhanden? 
   •      Kein Puls → Herzmassage
   •      Ernste Blutungen → Abbinden/Stille

Ist der Hund bewusstlos? Kontrollieren Sie zunächst Die Atemwege. Möglicherweise sind sie durch Blut, Erbrochenes, Fremdkörper oder Schleim verstopft. In diesem Falle sorgen Sie dafür dass alles was die Atemwege blockiert entfernt wird. Bei Kontrolle des Rachenraumes sollten sie einen dickeren Ast oder mit Hilfe einer anderen Person und Mullbinden das Maul offen halten und so auch verhindern, dass Ihre Finger dabei zu Schaden kommen! Für alle anderen Maßnahmen empfiehlt es sich mit einer Mullbinde oder zum Beispiel einer Hundeleine eine Maulschlinge anzulegen.

Sollte der Vierläufer bewusstlos sein und nicht atmen, so ist der 2.Schritt dann, nach Freilegung der Atemwege eine Beatmung durchzuführen. Überprüfen Sie vorher den Puls des Hundes indem Sie mit den Fingern am Innenschenkel die Oberschenkelschlagader in der Beinfalte suchen. Bei den meisten Hunden ist dort das Haarkleid sehr dünn oder sogar gar kein Fell vorhanden. Suchen Sie mit den zwei Fingerspitzen von Zeige- und Mittelfinger die Schlagader und zählen Sie 15 Sekunden die Pulsschläge mit. Das Ergebnis mal 4 nehmen ergibt die Herzschläge pro Minute. Normale Anzahl Herzschläge bei kleineren Hunden: 100 bis 120 Herzschläge / Minute. Anzahl Herzschläge bei größeren Hunden: 80 bis 100 Herzschläge / Minute. Man beachte, dass im fortgeschrittenen Hundealter der Puls langsamer wird, wohingegen er bei Stress und hohen Temperaturen beschleunigt sein kann. Ein schwacher Puls kann ein Hinweis auf einen niedrigen Blutdruck sein.

Bild: Iris Klauenberg / pixelio.de

Zur Beatmung bringen Sie den Hund in Seitenlage auf die rechte Körperseite und halten Sie den Fang des Hundes mit beiden Händen geschlossen .Aus Daumen und Zeigefinger wird ein Ring um die Nasenöffnung des Hundes gebildet und der Mund des Helfers wird fest auf diesen Ring aufgesetzt. Aus Hygienegründen kann ein Taschentuch über die Hundenase gelegt werden. Dann führen Sie die Beatmung durch indem Sie tief über die Nase ein- und den Mund wieder ausatmen. Nur etwas Luft einblasen Vorsicht! Im Abstand von 4 - 6 Sekunden, bei großen Hunden von 6 – 8 Sekunden beatmen.

Schlägt das Herz noch? Dies können Sie feststellen indem Sie mit der Hand auf der linken Seite des Brustkorbes den Herzspitzenstoß fühlen. Es empfiehlt sich dies zu Hause in ruhiger Umgebung unter Normalbedingungen zu überprüfen, so dass Sie ein Gefühl dafür bekommen. Sollte das Herz nicht mehr schlagen (kein Puls, kein Herzspitzenstoß) dann ist mit der Herzmassage zu beginnen.

Dazu auf der linken Brustseite kräftig mit der Faust / flachen Hand gegen das Herz drücken. Dies 3x wiederholen, dann 1x beatmen. Die Kreislaufsituation beurteilen Sie am besten anhand der Schleimhäute die im Normalzustand kräftig rosa sind. Lila- oder bläuliche Verfärbung ist ein Anzeichen für einen Sauerstoffmangel. Blassrosa oder weiße Schleimhäute weisen auf starken Blutverlust oder Schock hin. Ein weiteres Indiz für ein Schockgeschehen ist es wenn sie bei leichtem Druck auf die Innenfläche der Oberlippe oder das Zahnfleisch ein hellerer Fleck erscheint, der länger als 2 Sekunden hell bleibt. Testen Sie dies im Falle eines Falles. Jeder Patient im Schock sollte so schnell wie möglich tierärztlich versorgt werden!

Ist der Hund bei Bewusstsein gilt bei Atemgeräuschen dennoch die Atemwege zu kontrollieren und gegebenenfalls freizumachen. Auch hier wieder unter Berücksichtigung des Eigenschutzes. Bei Erbrechen und Würgen sollte auf eine Maulschlinge jedoch verzichtet werden. Dies gilt auch bei offensichtlichen Verletzungen im Kieferbereich oder natürlich bei Atemnot.

Verletzungen sollten wenn möglich auf Lokalisation, Stärke der Blutung, Größe und Tiefe untersucht werden. Danach richten sich die Erste Hilfe Maßnahmen.

Offene Wunden sollten möglichst wenn sie stark verunreinigt sind vor Ort gereinigt und desinfiziert werden. Dazu eignen sich:

–   Jodlösung
–   Octenisept/Octenivet/Prontosan oder Kochsalzlösung
–   Wenn nichts anderes zur Hand: Leitungswasser (Kanister, Trinkwasser)

Vorsicht bei Wunden die tiefe Taschen oder Löcher bilden. Im Zweifelsfall nicht spülen, sondern erst mal nur oberflächlich reinigen. Anschließend die Wunde mit sauberem, angefeuchtetem Tuch abdecken (Gaze, Handtuch) und eventuell einen Verband anlegen. Ein Verband kann je nach Lokalisation und Art der Technik eine Blutung stoppen oder zumindest verzögern. Er schützt zudem vor weiterer Verschmutzung und verhindert Lecken an der Wunde. Außerdem bleibt das Auto auf dem Weg zum Tierarzt sauber. Verbände Nicht zu fest ziehen. Achten Sie auf Polsterung der Zwischenzehenbereiche. Zu stramme Verbände schaden mehr, als sie nutzen! Als Ausnahme gelten Wunden die eine spritzende, arterielle Blutung aufweisen. Dort ist ein Druckverband anzulegen! Zur Hilfe kann eine zweite Person das Tier in Seitenlage fixieren.

Wenn die Blutung trotz Druckverband nicht steht, kann z.B. ein Bein kurzfristig abgebunden werden. Jedoch Vorsicht! Nach ca. 20 Minuten sollte ein erneuter Blutfluss gewährleistet werden. Offensichtliche oder gar offene Brüche der unteren Gliedmaßen können mit Hilfe von Zweige, Latten, Zeitschriften stabilisiert und ruhiggestellt werden. Watte oder ein T-Shirt dienen als gutes Polster.

Ohrverletzungen kommen oft vor sind jedoch meist nicht lebensbedrohlich, bluten aber dennoch oft stark und ausdauernd.

Vor Allem wenn der Hund mit dem Kopf schüttelt. Dies wird durch Anlegen eines Kopfverbandes und eventuell mit Druck durch eine Mullbinde verhindert. Auch hier hilft unter Umständen ein Shirt welches um den Kopf gebunden wird. Wenn möglich darunter das betroffene Ohr mit einem Pflaster an den Kopf kleben.

Im Falle einer Schussverletzung hängt es in erster Linie von der Verletzungslokalisation ab ob es sich um einen akuten Notfall handelt oder nicht.

  • Auge > Notfall
  • „Schinken“ > in der Regel kein akuter Notfall
  • Körpertreffer mit sofortiger Symptomatik wie Atemnot> akuter Notfall

Verletzungen des Brustkorbes jeglicher Art sollten sorgfältig untersucht werden. Sind sie oberflächlich oder tief? Ist die Atmung beeinträchtigt oder normal? Zischende Luft oder gurgelnde Geräusche sind ein hochgradiges Warnsignal! Versuchen Sie mit einem Textilstück, der Hand oder Verbandpäckchen auf die Wunde zu drücken. Polstern Sie mit Watte und verbinden Sie den Brustkorb und fahren Sie schnellstmöglich in eine Tierarztpraxis oder Tierklinik.

Wenn es möglich ist, sollten Sie auf dem Weg dorthin weiter Druck ausüben. Jede Bisswunde sollte nach Erstversorgung in einer Tierarztpraxis nachuntersucht und gegebenenfalls versorgt werden. Manchmal sind oberflächlich aussehende Wunden tiefer als man glaubt oder die Haut ist großflächig von der Unterlage abgerissen. Meist bedarf es nach der Erstversorgung einer antibiotischen Behandlung oder chirurgischen Wundversorgung/ Wundauffrischung.

Augenverletzungen zeigen sich oft durch Lidkneifen und/oder Bindehautschwellung. Kontrollieren Sie ob es eine Blutung gibt. Eine Trübung des Auges deutet auf eine Hornhautverletzung hin. Offensichtliche Fremdkörper wie Dornen, Krallen, Splitter etc. dürfen niemals sofort entfernt werden! Überlassen Sie dies dem Tierarzt. Verbinden Sie das Auge mit einem feuchten Kopfverband und schützen Sie es vor den Krallen und Reiben mit dem Kopf an Gegenständen.

Ein Augapfelvorfall ist immer ein hochakuter Notfall! Legen Sie angefeuchtete Kompressen auf das Auge, verbinden Sie es vorsichtig und ab zum nächsten Tierarzt! Bei einem Insektenstich versuchen Sie unter Umständen den Stachel zu entfernen. Danach kühlen Sie eventuell mit einem Kühlpack. Anschließend tragen Sie Honig oder Fenistil® auf (nicht auf das Auge!). Bei auftretender Atemnot oder Allergie suchen Sie sofort eine Tierarztpraxis auf.

Falls Ihr Hund einmal etwas verschlucken sollte…..Achtung! Niemals am Ende von Geschenkband oder Angelschnur ziehen, wenn verschluckt oder es am Enddarm herausschaut.

Ich wünsche Ihnen einen gesunden Hund und unfallfreie Drückjagden.


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