Der „Indianerbüffel“ ist dagegen auf einem anderen Kontinent zuhause. Amerikanische Bisons (Bison bison) besiedelten einst in riesigen Herden die Prärien und Wälder Nordamerikas. Heute gibt es nur noch vereinzelte Populationen in den Vereinigten Staaten und in Kanada. Sie stammen vermutlich ebenso wie der Wisent vom heute ausgestorbenen Steppenwisent (Bison priscus) ab. Dessen Verbreitung erfolgte im späten Pliozän und im frühen Pleistozän über Mittel- und Osteuropa, über Asien bis hin über die Bering-Landbrücke von Sibirien nach Alaska und von dort aus über Nordamerika. Man geht davon aus, dass nach dem Ende der letzten Eiszeit und der damit einhergehenden Überflutung der Bering-Landbrücke vor etwa 10 000 Jahren nicht nur die Kontinente sondern auch die Bisonpopulationen voneinander getrennt waren. Diese entwickelten sich dann unabhängig voneinander weiter. Streng genommen sind Wisent und Bison nach dem biologischen Artkonzept aber heute immer noch als eine Art anzusehen, da sie sich theoretisch untereinander fruchtbar fortpflanzen können. Weil sie jedoch auf verschiedenen Kontinenten leben, ist das in freier Wildbahn praktisch unmöglich, weshalb sich einige Wissenschaftler immer noch uneins über die Abgrenzung der Arten sind.
Betrachtet man nun Wisent und Bison im Vergleich, fällt auf, dass sich nicht nur ihre Schicksale hinsichtlich der fast vollständigen Ausrottung durch den Menschen ähneln, sondern auch ihre Lebensweise starke Übereinstimmungen zeigt. Abgesehen davon, dass der europäische Wisent etwas größer ist, stimmen die biologischen Indizien wie Brunft- und Setzzeit, Anzahl der Nachkommen, Eintritt der Geschlechtsreife, Lebenserwartung, etc. überein.
Dennoch gibt es auch wesentliche Unterschiede in Aussehen und Lebensweise, die als Anpassungen an die entsprechende Umwelt aufgefasst werden können. Als ein Beispiel ist der Unterschied in der Ernährungsweise als naheliegendster zu nennen. Das Nahrungsangebot der amerikanischen Prärie weist nun einmal keine so große Vielfalt auf, wie das der europäischen Wald- und Wiesenlandschaften. Um dort zu überleben, mussten sich die Tiere dementsprechend anpassen.
Anpassung ist oft der Schlüssel zum Überleben. Bezogen auf das Auswilderungsprojekt bleibt die Frage offen, wer muss sich an wen anpassen? Die Zukunft des Projektes ist noch ungewiss. Zunächst muss die Entscheidung Mitte September am Oberlandesgericht Hamm abgewartet werden, wo zwei Waldbauern klagen, deren Buchenwälder massive Schälschäden durch die Wisente aufweisen. Man kann nur hoffen, dass sich eine gütliche Lösung für beide Parteien finden lässt. Ob die Wisente in unser heutiges Leben passen, wird die Zukunft zeigen.
Eins steht aber jetzt schon fest: Beeindruckend sind sie schon, die großen Wilden!