Optikkolumne: Wie funktioniert ein Zielfernrohr Teil II
Text & Bilder Dr. Helke Karen Hesse
Dioptrieneinstellung und Absehenverstellung
Nachdem im ersten Teil dieser Kolumne bereits der optische Grundaufbau beschrieben wurde, soll nun die grundlegende optomechanische Funktion im Vordergrund stehen. Zur besseren Lesbarkeit der Bilder, werden in den dargestellten Schnittmustern der Zielfernrohre die meisten Schnittkanten der umgebenden Teile rot eingefärbt sowie Teile vereinfacht dargestellt und für die Funktion unwesentliche Teile weggelassen. .
Moderne Zielfernrohre verfügen über eine Dioptrienverstellung sowie eine Absehenverstellung in Höhe und Seite, und, je nach Ausführung, über einen Vergrößerungswechsel, eine Parallaxeverstellung und eine Beleuchtung. (Abbildung 1)
Die Dioptrieneinstellung und die Absehenverstellung werden im Folgenden im Detail erklärt.
Abbildung 1: Funktionale Elemente eines Zielfernrohres
Die Dioptrieneinstellung ermöglicht eine Feinjustierung des Okulars, um eine Fehlsichtigkeit des Jägers in einem gewissen Umfang auszugleichen. Dabei kann sowohl eine Weitsichtigkeit als auch eine Kurzsichtigkeit meist in einem Bereich von ungefähr jeweils 3 Dioptrien kompensiert werden. Nicht berücksichtigt werden andere Augenfehler, beispielsweise ein Astigmatismus, welche zusätzliche, meist komplexer geformte Linsen, zur Korrektur erfordern.
In den Abbildungen 2a bis 2c ist das optische Funktionsprinzip der Dioptrieneinstellung am Beispiel der Kurzsichtigkeit dargestellt. Bei einem normalsichtigen Auge (Abbildung 2a) wird das Zwischenbild aus der 2. Bildebene durch die Augenlinse recht genau auf die Netzhaut abgebildet.
Abbildung 2a: Prinzip der Abbildung bei normalsichtigem Auge (Zur Vergrößerung klicken Sie bitte auf die Bilder)
Ist man kurzsichtig, so fokussiert die Augenlinse vor der Netzhaut, und auf der Netzhaut erscheint nur noch ein verschwommenes Bild. (Abbildung 2b)
Wird das Okular nun näher an die 2. Bildebene gebracht, so wird dieser Effekt ausgeglichen, und die Abbildung des Zwischenbildes im Auge erfolgt wieder auf die Netzhaut. (Abbildung 2c)
Abbildung 2b: Prinzip der Abbildung bei kurz sichtigem Auge (Zur Vergrößerung klicken Sie bitte auf die Bilder)
Abbildung 2c: Prinzip der Korrektur durch eine Dioptrieneinstellung (Zur Vergrößerung klicken Sie bitte auf die Bilder)
Die mechanische Umsetzung der Dioptrienverstellung wird durch ein Transportgewinde für das Okular realisiert. Auf diesem wird das Okular entweder in Richtung der zweiten Bildebene (für den Ausgleich einer Kurzsichtigkeit), oder von der zweiten Bildebene weg (für den Ausgleich einer Weitsichtigkeit) bewegt. Dies ist in den Abbildungen 3a bis 3c dargestellt.
Abbildung 3a: Okular in Nullposition (Zur Vergrößerung klicken Sie bitte auf die Bilder)
Abbildung 3b: Okular in Minusposition (Zur Vergrößerung klicken Sie bitte auf die Bilder)
Abbildung 3c: Okular in Plusposition (Zur Vergrößerung klicken Sie bitte auf die Bilder)
Die Absehenverstellung dient der Korrektur der Treffpunktlage. Das Fadenkreuz soll also zunächst beim Einschießen so verstellt werden, dass es dorthin zeigt, wohin die Kugel trifft – und dann im Umkehrschluss, dass beim späteren Schießen, die Kugel dorthin trifft, wo das Fadenkreuz hinzeigt.
Schießt man nur auf kurze Distanzen, reicht es oftmals, das Zielfernrohr einmal einzuschießen. Schießt man allerdings auf verschiedene, auch lange Distanzen, so wird eine Korrektur für den jeweiligen Schuss notwendig, um den stärkeren Geschossbahnabfall über die Distanz auszugleichen. Hierbei helfen Tabellen, Ballistikrechner oder speziell gravierte Türme, die die jeweiligen Korrekturwerte für verschiedene Entfernungen direkt angeben.
Die Absehenverstellung zur Treffpunktkorrektur wurde in frühen Zielfernrohren erreicht, indem das Absehen selbst in der Höhe verstellt wurde. Dies hat den Nachteil, dass die Zielmarke nicht mehr auf der optischen Achse des Umkehrsystems liegt. In modernen Zielfernrohren wird daher das gesamte Umkehrsystem verkippt.
Dabei drückt ein sogenannter Trieb mit einem Außengewinde in der Nähe der ersten Bildebene auf das Umkehrsystem, der über ein Gewindestück (mit einem passenden Innengewinde) in den Rohrkörper hinein, bzw. aus dem Rohrkörper hinaus geschraubt wird. Das Umkehrsystem ist dabei über eine Kugel ungefähr auf der Höhe der zweiten Bildebene beweglich gelagert und kippt um den Mittelpunkt dieser Kugel in die Richtung, die durch die Triebe von Höhen- und Seitenverstellung vorgegeben wird. Der Gegendruck wird dabei meist über eine Feder am Umkehrsystem erzeugt. Das Grundprinzip wird in den beiden nachfolgenden Bildern 4a und 4b für die Höhenverstellung dargestellt.
Bild 4a: Umkehrsystem zentriert (Zur Vergrößerung klicken Sie bitte auf die Bilder)
In dem ersten Bild ist das Umkehrsystem in der zentrierten Position dargestellt, der Trieb für die Höhe berührt das Umkehrsystem punktuell. In dem zweiten Bild ist dann das Umkehrsystem maximal nach oben verstellt, was (aufgrund des auf dem Kopf stehenden Zwischenbildes) einer Kompensation des Geschossabfalls entspricht.
Bild 4b: Umkehrsystem in der Höhe maximal ausgelenkt (Zur Vergrößerung klicken Sie bitte auf die Bilder)
Wie schon zuvor festgestellt, sind diese grundlegenden Funktionen in jedem modernen Zielfernrohr vorhanden. Anders sieht es mit speziellen Einstellmöglichkeiten wie dem Vergrößerungswechsel oder der Parallaxeverstellung aus. Wie diese funktionieren, und warum sie benötigt werden, wird Thema der nächsten Kolumne sein.