Wildschaden: Des einen Not, des anderen Leid
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Wildschaden: Des einen Not, des anderen Leid

Text Sandra E. Pappert
Bild Moritz Möller

Rehe, Hirsche und Wildschweine bevölkern neben vielen anderen Tieren Deutschlands Wälder, Wiesen und Felder. Auf der einen Seite ist es schön im eigenen Revier einen ordentlichen Wildbestand zu haben. Auf der anderen Seite können von ihnen verursachte Wildschäden hohe Kosten für den Jagdpächter bedeuten.

Die Behandlung von Wildschäden durch den Geschädigten und die Möglichkeiten des Jagdpächters werden in diesem Beitrag dargestellt. Aufgrund des vorgegebenen Umfangs kann er allerdings nur Leitfaden sein, ohne auf länderspezifische Besonderheiten eingehen zu können. Ein Fallbeispiel:

Jagdpächter Tim Müller erhält morgens um 6 Uhr einen aufgeregten Anruf von Landwirt Müßig. In der vergangenen Nacht habe sich eine Rotte Sauen über dessen Maisfeld hergemacht, so dass unzählige Kolben von den Stängeln gerissen und Maispflanzen zertrampelt wurden, von dem aufgewühlten Ackerboden und den damit verbundenen Schäden nicht zu reden. Und auch am benachbarten Rapsacker sieht es nicht besser aus. Landwirt Müßig, dessen Existenzgrundlage u.a. die Ernte dieser Ackerflächen bildet, ist mit den Nerven am Ende und wendet sich an den Jagdpächter Müller. Er fordert vehement: „Das waren Ihre Sauen! Hätten Sie rechtzeitig gezäunt, hätte ich jetzt keinen Schaden! Ich fordere Schadenersatz in voller Höhe.“

Verständlich ist, dass Jagdpächter Müller über diese Ansage wenig amüsiert ist. Insbesondere meint er, dass es Landwirt Müßig versäumt hat, ihn bei der Schadensvermeidung durch Bejagung mit geeigneten Maßnahmen (ua. mit Jagdschneisen) bei der Anlage des Ackers zu unterstützen. Außerdem hätte er es sich sehr einfach gemacht, in dem er zum einen nur einen Teil des Maisackers des Vorjahres geerntet und den Rest untergegraben hat. Zum anderen hatte er ausgerechnet den Acker bestückt, der aufgrund seiner waldnahen Lage bekanntermaßen wildschadensträchtig ist.

Aber, was kann er den Schadenersatzforderungen entgegenhalten? Jagdpächter Tim Müller meint, er habe doch ständig angesessen und zudem einen Teil eingezäunt. Und, in welcher Höhe muss er evtl. Schadenersatz leisten? Den Genuss eines eigenen Jagdreviers hatte er sich anders vorgestellt…

Foto: Moritz Möller

Nach dem Bundesjagdgesetz hat vorrangig die Jagdgenossenschaft dem Betroffenen Landwirt Wildschäden zu ersetzen (§ 29 BJagdG). In Anlehnung an § 29 Abs. 1 Satz 3 BJagdG überträgt die Jagdgenossenschaft eben diese Zahlungspflicht mit dem Jagdpachtvertrag jedoch regelmässig auf den Jagdpächter.

Dass man als Jagdpächter für entstandene Wildschäden eines Landwirts oder eines Waldbewirtschafters in jedem Falle Schadenersatz zu leisten hat, ist in manchen Konstellationen keineswegs klar. Denn eine Verantwortung für den Schaden kann durchaus beidseits verteilt sein. Darüber kommt es nicht selten zum Streit.

Damit sich ein Jagdpächter überhaupt mit einer etwaigen Schadenersatzforderung des Landwirts oder Waldbesitzers konfrontiert sieht, muss jeder Landwirt Wildschäden auf seinen Flächen innerhalb einer Woche nach Feststellung bei der zuständigen Gemeinde / Stadt schriftlich anmelden (§ 34 BJagdG); versäumt der Landwirt diese Frist, ist der Anspruch verwirkt.

Die Gemeinde bestätigt dem geschädigten Landwirt sodann dessen Schadenanmeldung und informiert ihn über Namen und Anschrift des Jagdpächters. Das ist der richtige Zeitpunkt für Jagdpächter und Landwirt eine gütliche Einigung zu suchen. Bei Uneinigkeit über Umfang und Höhe des Wildschadens kann der geschädigte Landwirt, ebenso Jagdpächter, auf seine Kosten einen Wildschadensschätzer hinzuziehen, der dann den Schaden zu ermitteln hat. Im Rahmen einer dann angestrebten Einigung werden im Erfolgsfall auch dessen Kosten angemessen verteilt (bspw. nach dem Anteil der Verursachung durch eine zu hohe Forderung des Landwirts oder aber ein zu niedriges Angebot des Jagdpächters.

Es kann sich allerdings auch nachteilig auswirken, dass ein solcher Wildschadensschätzer nicht mehr als neutraler Gutachter auftritt, sondern als so genannter Parteigutachter. Dies könnte dessen Ablehnung in einem sich etwaig anschließenden Gerichtsverfahren begründen, was noch weitere Gutachterkosten nach sich ziehen würde. Weiterhin kann es problematisch sein, wenn zwischen Kenntnisnahme des Wildschadens und der Beauftragung eines (weiteren) Sachverständigen durch das Gericht (zu) viel Zeit vergangen ist. Dann nämlich kann der Schaden möglicherweise nicht mehr ordnungsgemäß festgestellt werden, etwa weil zwischenzeitlich geerntet wurde oder die Witterung die Spuren verwischt hat.

Foto: Max Götzfried

Liegen die Vorstellungen der Parteien von vornherein zu weit auseinander oder aber sind noch weitere Faktoren (neben dem Schadensausmass) streitig, sollte den beschriebenen Problemen besser vorgebeugt werden: Nämlich durch ein Beweisverfahren.

Werden sich der geschädigte Landwirt und der betroffene Jagdpächter nicht einig, muss es letztendlich die Justiz richten. Das Beweisverfahren dient, gerade in Fällen mit einer gewissen Eilbedürftigkeit – und zwar ganz allgemein und nicht nur für den hier behandelten Streitfall –, allein der Beweissicherung. Es kann aber dennoch den Ausgang einer rechtlichen Auseinandersetzung erheblich beschleunigen. Denn – noch im Vorfeld eines sich möglicherweise anschließenden Rechtsstreits (sog. Hauptsachverfahren) – haben die Parteien (erneut) die Gelegenheit sich zu einigen und zwar auf der Basis des für den Rechtsstreit gegebenenfalls verbindlichen Sachverständigengutachtens. Auf diesem Weg fordert das Beweisverfahren gar nicht selten die Einigungsbereitschaft der Parteien; es dient damit auch der Prozessökonomie.

Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahren prüft ein gerichtlich bestellter und vereidigter – und damit neutraler – Sachverständiger bei entsprechenden Fragestellungen die streitigen Umstände, die zur Schadensentstehung geführt und/oder beigetragen haben. Und er ermittelt – soweit möglich – den genauen Umfang des Schadens.

Gelangt der Sachverständige zur Feststellung eines bestimmten Schadens, steht dem Jagdpächter frei, die gutachterlich festgestellte Forderung des Landwirtes anzuerkennen oder aber abzulehnen.

Wird dennoch keine Einigung im Anschluss an das Beweisverfahren erzielt, etwa aufgrund unterschiedlicher Bewertungen von rechtlich relevanten Begleitumständen (bspw. ein Mitverschulden des Landwirts), hat der Anspruchsteller (Landwirt) durch die Begründung seiner Klage das Hauptsachverfahren einzuleiten.

Zum einen gelangt der Sachverständige nicht notwendigerweise zu einer für beide Seiten nachvollziehbaren Schadenfeststellung; zum anderen obliegen rechtliche Bewertungen wie etwa das Bestehen oder Nichtbestehen eines Mitverschuldensanteils auf der Seite des Landwirts allein dem Richter (und nicht dem Sachverständigen).

Gerade die Situation, wenn der Jagdpächter von einem erheblichen Mitverschulden des Geschädigten, § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), ausgehen darf, gestaltet sich eine Einigung auf der Basis des Sachverständigengutachtens häufig eher schwierig. § 254 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seiner Schadensansprüche hinzunehmen hat. Für die Abwehr von Schadensersatzansprüchen durch den Jagdpächter von besonderem Vorteil ist es, wenn ein anspruchsausschließendes Mitverschulden festgestellt und gegen die Forderungen eingewandt werden kann. Ein solch’ anspruchsausschließendes Mitverschulden trifft den Landwirt u. U. dann, wenn er Ansaaten vornimmt, mit denen nach Lage des gewählten Grundstücks und nach Wahl des Saatguts geradezu sicher ein erheblicher Wildschaden provoziert wird. Insoweit ist es für den Landwirt eher untunlich, ohne Rücksicht auf die die besondere Situation eines Grundstücks, den höchstmöglich erscheinenden Ertrag anzustreben.

Foto: Max Götzfried

Zwar kann einem Landwirt grundsätzlich nicht vorgeschrieben werden, welche Nutzung er für seine Flächen wählt und was er darauf anbaut; bei Missachtung der vorgenannten Grundsätze muss er im Schadensfalle dann aber damit rechnen, dass ihm bei einem (erheblichen) Mitverschulden kein oder allenfalls ein reduzierter Anspruch auf Wildschadenersatz zugesprochen wird.

Der Bundesgerichtshof (BGH) vertritt überdies die Auffassung, als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) sei Wildschaden durch den Eigentümer in gewissem Umfang ohnehin entschädigungslos hinzunehmen. Das Maß dieser Pflichtigkeit bestimme sich nach Lage und Beschaffenheit des Grundstücks, sowie seiner Einbettung in die Landschaft und Natur, mithin seiner "Situation". Gelingt es in unserem Fallbeispiel dem Jagdpächter, die Verfehlungen des Landwirts Müßig zu beweisen, wird diesem jedenfalls ein ganz erhebliches Mitverschulden angelastet werden. Denn, er hatte ohne Rücksicht auf die Situation und in Kenntnis der extrem reduzierten Bejagbarkeit der von ihm gewählten Maisanbaufläche (Mais bis zum Waldrand) nicht allein die Ackerfrucht des Vorjahres teilweise untergepflügt – und damit bereits Wildschweine angezogen. Er hat zudem auf die Anlage der für eine wirksame Bejagung erforderlichen Bejagungsschneisen bzw. Sichtstreifen verzichtet.

Die Nachlässigkeit des Landwirts Müßig kann sogar ein anspruchsausschließendes Mitverschulden begründen. In diesem Falle hätte der Jagdpächter Müller keinen Wildschaden zu ersetzen.

Um sich vor Überraschungen zu wappnen, sollte der Jagdpächter vor Unterzeichnung des Jagdpachtvertrages diesen sorgfältig lesen und im Zweifelsfall den rechtlichen Rat eines spezialisierten Rechtsanwalts einholen.

Damit auch höhere Schadenersatzforderungen keine noch schlimmeren Folgen haben, etwa in Form von Zahlungsschwierigkeiten, empfiehlt es sich für den Jagdpächter, im Rahmen seiner jährlichen Kalkulationen auf der Basis von sorgfältig bestimmten Erfahrungswerten Rückstellungen für Wildschäden zu bilden; eine Versicherung gegen Wildschäden gibt es üblicherweise nicht.

Kontaktieren Sie uns gerne unter: www.advohelp.de

Foto: Jürgen Geis


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